Im Rahmen von Wien Modern und dem Zyklus „Company of Music“ des Konzerthauses fand am Montag, dem 7. November, ein Konzert mit dem Vokalensemble selben Namens statt. Seit der Saison 2014/15 ist das Konzerthaus die Heimat der „Company of Music“ und bietet alleine in dieser Saison drei unterschiedlich gestaltete Konzerte mit dem Ensemble unter der Leitung von Johannes Hiemetsberger.
Dabei gab es nicht nur Wohlklang, sondern auch Schräges zu hören, das – hicks – in tatsächlich weinseliger Laune nicht zu reproduzieren gewesen wäre.
Ein Chor wird in Szene gesetzt
Unter der szenischen Leitung von André Thurnheim erschien das an diesem Abend insgesamt 17-köpfige Ensemble in Outfits, die von schrill bis ultrabrav alle Facetten enthielten. Einfach köstlich, wie jede Neuaufstellung des Chores vonstatten ging: Unbeholfen, langsam, beinahe wie in Zeitlupe, mit kleinen Hoppalas dazwischen, die bis zum Notenabsturz reichten. Hier nimmt sich ein vokaler Klangkörper endlich! einmal nicht bierernst, sondern präsentiert sich auf höchst humorvolle Art und Weise. Dass das nur gut geht, weil die Professionalität des Ensembles so außergewöhnlich ist, versteht sich von selbst.
Monteverdi steht zu Beginn
Begonnen wurde mit dem hochexpressiven Monteverdi Lamento „L´Arianna“, mit welchen jede Menge Gefühle über den Bühnenrand schwappen durften und der Renaissance-Wohlklang höchst lebendige Urstände feierte. Das Lamento ist die einzig erhaltene Stelle der Oper „L`Arianna“ aus Monteverdis Feder. Darin gelangt die Polyphonie zu einem ersten Höhepunkt, wenngleich sich auch die meisten Schlussakkorde noch in einer Prim verdichten.
Mahler neu arrangiert
Mit den Liedern „Die zwei blauen Augen“ und „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ von Gustav Mahler gab es reichlich harmonisches Ohrenfutter. Zu verdanken ist dies dem deutschen Komponisten und Arrangeur Clytus Gottwald, der lange selbst ein 17-stimmiges Chorensemble leitete und für dieses viele Stücke arrangierte. Ließ er in den blauen Augen auch durch die Aufstellung der Singenden den Klang förmlich in Dolby-Sourround-Qualität in den Saal strömen, so gestaltete sich Mahlers zweites Lied aus dem Rückert-Zyklus als musikalischer Faserschmeichler, dem man mit Leib, Seele und vor allem beiden Ohren gänzlich verfallen konnte. Auch die feinsten Nuancen waren bei der Company Music bestens aufgehoben und Soli nur dort so mit Nachdruck gesetzt, dass das Gemeinsame und nicht solistisch Trennende der Musik vermittelt wurde. Darüber hinaus konnte man bei keinem einzigen Auftritt eine Hierarchie und Stargetue innerhalb der Gruppe feststellen. Vielmehr war ein enormer, freundschaftlicher Geist, der zwischen den Sängerinnen und Sängern offenbar herrscht, gut zu spüren.
Auf Wiedersehen und schlaf gut!
Mit „Nuits, adieux“ wurde dann der erste Bogen hin zur zeitgenössischen Musik gespannt. Die Finnin Kaija Saariaho (*1952) schuf ein aus zehn Abschnitten bestehendes a capella Werk, das auf Texten von Roubaud und Balzac fußt. Dabei stehen über lange Strecken die Geräusche, die Stimmen imstande sind zu produzieren, im Mittelpunkt. Ganz zu Beginn zischelt das Ensemble, lässt Ssssss und Schhhhhhhs vernehmen und akzentuiert die einzelnen Worte des Textes so, dass dieser nur durch gefühlsmäßige Annäherung verstanden werden kann. Lautes, rhythmisches Atmen steht in einem späteren Teil im Vordergrund und hinterlässt ausdrucksstarke und einprägsame Eindrücke. „Adieu“, dieses Wort, um das Balzac eine ganze Novelle schrieb, wird am Ende des Stückes für drei Frauen- und drei Männerstimmen verständlich.
„2000“ – mit dieser Jahreszahl wurde der nächste Programmpunkt angekündigt, wobei sich der Sänger, nachdem er die Zahl ausgesprochen hatte, verschmitzt die Hand vor den Mund hielt. Nicht zu Unrecht, sind doch die Kompositionen von Eric Whitacre (*1970) nicht ad hoc der Jetztzeit zuzuordnen. Vielmehr fühlt er sich in „This Marriage“ und „Sleep“ einem Wohlklang verpflichtet, den man eher im 19. Jahrhundert ansiedeln würde, der aber zusätzlich mit einer gehörigen Portion Hollywoodfeeling unterspickt ist. Kein Wunder, denn Whitacre ist so etwas wie ein Popstar unter zeitgenössischen Komponisten. Er erhielt unter anderem Aufträge von den BBC Proms, Julian Lloyd Webber und den King`s Sisters. Mit „Marriage“ und auch „Sleep“ schuf Whitacre getragene Choräle, die bereits ihren Weg in die Konzertsäle hauptsächlich des anglo-amerikanischen Raums gefunden haben und wie Ohrwürmer agieren. Ein schönes Beispiel das zeigt, dass sich die „Company of Music“ nicht nur zeit- sondern auch genreüberschreitend vielen unterschiedlichen Musikstilen widmet.
Eine Uraufführung zum Schluss
In der Jetztzeit angekommen, wurde zum Abschluss „Lingua“ für 16 Stimmen des Österreichers Bernd Richard Deutsch uraufgeführt. Von der Idee her klingt Orffs Carmina Burana von Weitem durch, allerdings hielt sich Deutsch nicht wie Orff an die historische Textvorlage. Vielmehr erlaubte er sich einen höchst freien Umgang mit jenem sumerischen Trinklied, das er als Ausgangsbasis seiner kompositorischen Überlegungen heranzog. Das Ensemble ist dabei höchst gefordert, drückt Deutsch darin doch vielerlei trunkene Gemütszustände aus. Von Schluckaufpassagen über Gelalle und Gebrülle, von Ausgelassenheit bis Gejammer ist vieles zu hören. Dabei unterscheidet er auch noch Männer- und Frauenpartien, lässt sie gemeinsam, aber auch gegeneinander auftreten. Ein Charakteristikum ist das Auf- und Abschwellen der Lautstärke sowie rhythmisch hoch komplexe Stellen. Ganz abseits von musikalischen Analysen war es faszinierend festzustellen, dass trunkene Zustände vor 3800 Jahren offenbar nicht anders empfunden wurden als dies heute der Fall ist. Griff auch das Ensemble zu Beginn dieser Interpretation kräftig zur Flasche, konnte man sicher sein, dass hier Wein gepredigt und Wasser getrunken wurde.
Ein höchst anspruchsvolles aber zugleich unglaublich amüsantes Konzert, das vom Publikum umjubelt aufgenommen wurde.