Mio meets Marty meets „Money, Money, Money“

Mio meets Marty meets „Money, Money, Money“

Allein allein, wir sind allein

Mutter tot, Vater verschollen. Bosse (Stefan Rosenthal) ist ein ungeliebtes Pflegekind und bekommt dies auch täglich zu spüren. Wenn er mit schmutziger Hose nach Hause kommt und sich entschuldigen möchte, schreit ihn seine Tante Edla (Barbara Gassner) an, er solle doch nicht so schreien.

Theater der Jugend / MIO, MEIN MIO (c) Rita Newman

Theater der Jugend / MIO, MEIN MIO (c) Rita Newman

Das Glück am Boden der Flasche

Die Abba singende Würstchenverkäuferin (Suse Lichtenberger) im Park schenkt Bosse einen goldenen Apfel, der die Eintrittskarte ins Land der Ferne ist. Als der Neunjährige dann noch eine Flasche samt Flaschengeist (Clemens Matzka) findet, kann ihn nichts mehr aufhalten, in das ferne Land der Ferne zu reisen, wo er seinen Vater vermutet. Tatsächlich erkennt ihn der König (Michael Schusser) sofort als seinen Sohn Mio wieder.

Zu den Menschen aus Bosses Welt gibt es im Land der Ferne bunte, wohlgesinnte Pendants. Doch Mio muss erkennen, dass auch im Land der Ferne nicht alles perfekt ist: Vielen der Bewohnerinnen und Bewohnern wurden ihre Kinder vom bösartigen Ritter Kato (Frank Engelhardt) geraubt und ins Land „Außerhalb“ verschleppt. Auf seiner Befreiungsmission begegnen Mio und seinem Freund Jum Jum (Luka Dimic) unter anderen Gollum, einem römischen Darth Vader mit Segway und dem Zelt-Mensch Eno (Christoph Gummert).

Theater der Jugend / MIO, MEIN MIO (c) Rita Newman

Theater der Jugend / MIO, MEIN MIO (c) Rita Newman

Sprachlich orientiert sich die Inszenierung von Stefan Behrendt nahe am Text Astrid Lindgrens. Eine Veränderung wird gegen Ende doch vorgenommen, als sich Mio der Gedanke aufdrängt, es habe sich doch alles nur um einen Traum gehandelt.

Kostüme und Szenerie erfahren durch Mathias Rümmler eine Modernisierung. Der üppige Rosengarten des Königs fällt eher dürftig aus, besticht dafür aber mit tanzenden Blumen in Morphsuits, die „Can’t Stop the Rock“ schmettern. Eine kreative Lösung bietet der Bühnenvorhang, der durch eine Lichtprojektion zur Felswand wird.

Agnetha wäre stolz

Die Kostüme fallen moderner und bunter aus, als sie in Lindgrens Roman beschrieben sind. Jum Jums Stil könnte man als „galaktisch mit Aussicht auf Regenbogen“ beschreiben. Tante Lundin, die in dieser Adaption „Frau“ Lundin genannt wird, kann im Land der Ferne ihre Abba-Affinität im blau-weißen Abba-Gedächtnis-Overall inklusive Wallemähne ausleben. Ihre Neutextung von „Money Money Money“ ist ein musikalischer Höhepunkt der Aufführung.

Nicht nur die jungen Zuseher und Zuseherinnen hatten viel zu lachen, sondern auch die Erwachsenen werden auf eine amüsante Reise durch Musik und Filme der Popkultur mitgenommen. Bis zum 20. November gehen noch Papierflugzeugflüge vom Theater der Jugend aus ins Land der Ferne.

Termine und Infos auf der Homepage des Theater der Jugend.

Wir waren wie eine Person und irgendwie doch nicht

Wir waren wie eine Person und irgendwie doch nicht

Wir waren wie eine Person und irgendwie doch nicht

So könnte man die Freundschaft zwischen der wilden Baliami (Josepha Andras) und dem anfangs schüchternen Oliver (Simon Kubiena) beschreiben. Da sie ein Flüchtlingskind aus dem Kosovo ist, verbietet Olivers Mutter (Anna Zagler) ihm den Umgang mit dem „Zigeunermädchen“. Doch von Verboten lassen sich Jugendliche in den seltensten Fällen aufhalten.

Der Dschungel Wien bietet vom 12. – 28. Oktober mit „Baliami“ Drogen, Liebe und Freundschaft in mitreißender Dosis.

Die ganze Welt geht an dem zugrunde, was sie liebt

baliami (c) _rainer_berson

baliami (c) _rainer_berson

Momentaufnahmen aus dem Leben von ein paar Freunden werden über einen Zeitraum von 13 Jahren dargestellt. Tiefe Freundschaft, aufkeimende Liebe, dann abrupte Trennung und wütende Destruktion werden in dem Stück behandelt. Nachdem sich Baliami und Oliver in ihren Jugendjahren aus den Augen verlieren, treffen sie sich mit 15 in einem Klub wieder. Plötzlich sind die alten Gefühle wieder da, obwohl beide bereits in festen Händen sind. Oliver, der seit Baliamis Weggang mit Sophie (ebenfalls Anna Zagler) zusammen ist, lässt der Gedanke an seine erste Liebe jedoch nicht mehr los und so beginnen sie sich erneut, heimlich zu treffen. Während Oliver sich zwischen zwei Frauen sieht, meint sein Freund Raphy (Max Kodelej) nur einen Ausweg aus seiner Einsamkeit und familiären Misere zu kennen: Amoklauf.

Die Schauspieler sind zugleich Erzähler und Kommentatoren des Geschehens und geben Einblicke in die jugendliche Gefühlswelt. Das tun die Darsteller auf sehr überzeugende und authentische Weise. Autor Benedict Thill und Regisseur Richard Schmetterer vermeiden übertriebenen Jugendslang und Referenzen zur Popkultur. Hier sprechen Jugendliche zu Jugendlichen. Tatsächlich ist das Ensemble noch sehr jung, aber nicht minder überzeugend.

baliami (c) rainer_berson

baliami (c) rainer_berson

Zu jeder Zeit sind die vier Ensemblemitglieder auf der von Karoline Hogl ausgestatteten Bühne hinter den Bühnenkonstrukten entweder versteckt, zusehend oder kommentierend. Das Bühnenbild besteht aus Stangen, Seilen und Kisten, die jeweils Würfel bilden. Je nach Szene und emotionalem Zustand werden sie umgestellt und unterschiedlich beleuchtet (Hannes Röbisch). Im Streit werden diese Würfel verwüstet, zerlegt und systematisch demontiert, bis am Ende alles tatsächlich in Trümmern liegt.

Alles ist relativ

Extrem und endgültig fühlt sich das Leben für diese Jugendlichen an, obwohl sich in der Rückschau vieles relativiert. Die einzige Möglichkeit ist, alles zu zerstören und neu aufzubauen. In der letzten Momentaufnahme ist das Chaos der Jugendjahre von der Bühne beseitigt. Nüchtern und ruhig ist dagegen das Ende. Raphy bekommt Hilfe in einer psychiatrischen Einrichtung, Sophie und Baliami akzeptieren einander. Oliver und Baliami entdecken, dass ihre Freundschaft stärker als Liebe ist.

baliami (c) rainer_berson

baliami (c) rainer_berson

“Baliami” ist nur eines der Projekte des “Spiegelkabinetts” unter der Leitung von Richard  Schmetterer. Im Dezember wird er mit “Pinocchio” für 7 bis 12-Jährige in den Dschungel Wien zurückkehren.

Weitere Infos auf der Homepage des Dschungel Wien.

Tauchstation Kaiserin Elisabeth Spital

Tauchstation Kaiserin Elisabeth Spital

Regisseurin Isabella Wolf verwandelt das Brick-5 in diesem Jahr in ein Spital, wo Schauder und Frohsinn einander „Guten Tag“ wünschen. Die Theatergruppe Junger Salon bietet mit dem Stück Geister einen heiteren, genussvollen Abend. Gunda Kinzl, Luzia Oppermann, Vanessa Dorlijski und Christina Strnad sind als Schleusenwärterinnen, die in das Leben nach dem Tod führen, brillant.

Der junge Salon zeigt mit "Geister" ein sehenswertes Stück (Foto: Junger Salon, Tanja Gruber)

Der junge Salon zeigt mit „Geister“ ein sehenswertes Stück (Foto: Junger Salon, Tanja Gruber)

Eine Direktorin, die auf dem Tisch steht, eine Ärztin, die Papier isst, eine gesunde Patientin, die behandelt wurde, eine Frau Doktor, die von einer Toten eine Puppe geschenkt bekommen hat. Irgendetwas stimmt in diesem Krankenhaus nicht. Und zwar gewaltig nicht. Seit Neuestem soll es sogar spuken. Immer mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hören ein weinendes Mädchen. Es handelt sich um den Geist von Irma Süß. Doch was ist mit ihr geschehen und warum treibt er sich in den Korridoren des Spitals herum? Suse Melchior (Veronika Vitovec), die Patientin, die simuliert, will das Geheimnis lüften und begibt sich auf die Suche.
Parallel versucht Frau Dr. Helmer (Carmen Schrenk) den schwerwiegendsten Fehler in ihrer beruflichen Laufbahn, der ihr bei der Operation einer jungen Frau unterlief, zu vertuschen. Sie erklärt sich das Stimmenhören aufgrund ihrer Schlaflosigkeit und ihrer Sucht nach aufputschenden Medikamenten, im Glauben zu halluzinieren. Die Pathologin Frau Dr. Arnsberg (Magdalena Lermer) ist einstweilen besessen von der Idee, ihre Kropfsammlung zu erweitern.

So sind alle Protagonistinnen mit sich selbst beschäftigt und vergessen dabei, dass es eigentlich um das Wohlergehen der Patienten und Patientinnen gehen müsste. Der Spitalsalltag ist von wüsten Beschimpfungen der Schwestern geprägt, von der Intoleranz Angehörigen gegenüber, sowie von hinterlistigem Auskundschaften des Archivs, das eigentlich nur für Frau Dr. Moosgarten (Luzia Oppermann), Direktorin des Krankenhauses, zugänglich ist.

Im Hintergrund der Darbietung ist immer wieder eine Tropfkulisse zu vernehmen. Das Krankenhaus ist baufällig, die Decken feucht. Übergänge der Szenen werden wie bei Sitcoms mit spannungserzeugender Musik gestaltet. Zum Glück wurde das Hineinschalten von Lachern weggelassen. Die waren nämlich gar nicht notwendig an diesem Abend, so amüsant wie er war. Für die einzigartige und die äußerst gelungene musikalische Gestaltung waren Felix Pöchhacker und Benedict Schlögl am Werk.
Wie kann in einem Theaterstück ein Geist dargestellt werden? Videobeam und Toncollage machen es möglich. Tanja Gruber und Caroline Bobek wenden die Klicks und Tricks der Videobearbeitung an und verändern ein Standbild so, dass das Mädchen (Christina Strnad), das in einem Korridor steht, verblasst erscheint.
Der Abend zeigt sich aber nicht nur von seiner humoristischen Seite. Nein, die Darstellerinnen tauchen auch ein und bewegen sich auf einer Meta-Ebene der Poesie und geben Denkanstöße oder Impulse, wenn es um die Frage geht, was passiert, wenn ein Mensch die Erde verlässt. Die Schleusenwärterinnen singen ein schier unerträgliches Lied über Leben und Tod. Eine durchaus gelungene Passage!

Links:

Junge Kritik von Fabienne Sigaud
Junge Kritik von Benedikt Müller

 

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Warnung: In dieser Rezension spukt es

Warnung: In dieser Rezension spukt es

Ist das da ein Kopf in Ihrer Tasche, Frau Doktorin?

Dass es hier spukt, wird schon gleich am Anfang festgestellt. Frau Dr. Krone (Corry Riesz) bittet bereits in der zweiten Szene eine in diesem Krankenhaus berüchtigte Simulantin (Veronika Vitovec) Symptome eines Gehirntumors vorzutäuschen. Suse Melchior ist darüber hinaus nämlich auch Spiritistin und tatsächlich, sie und Dr. Krone hören ein deutliches Wimmern, das Publikum nicht. Schnell wird aus einem kürzlich heruntergefallenen Heft und einem Luftzug im Nacken ein hilfesuchendes Wesen, dem sich Frau Melchior entschlossen annehmen will. Dr. Krone: „Wenn man das Ohr an die Tür legt, hört man ein Klingeling!“ Frau Melchior: „Wie eine Totenglocke?“ Oder ein Mobiltelefon.


[vc_row][vc_column width=“1/3″][vc_single_image image=“8898″ alignment=“center“ border_color=“grey“ img_link_large=“yes“ img_link_target=“_blank“ img_size=“200×134″][/vc_column][vc_column width=“1/3″][vc_single_image image=“8852″ alignment=“center“ border_color=“grey“ img_link_large=“yes“ img_link_target=“_blank“ img_size=“200×134″][/vc_column][vc_column width=“1/3″][vc_single_image image=“8882″ alignment=“center“ border_color=“grey“ img_link_large=“yes“ img_link_target=“_blank“ img_size=“200×134″][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width=“1/1″][vc_column_text]“Geister“ ist im Moment im Brick-5 zu sehen (Fotos: Junger Salon, Tanja Gruber)[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]


So in etwa fängt das neue Stück „Geister“ des Jungen Salon unter der Regie von Isabella Wolf an. In einem Krankenhaus, das viele Verbindungen zum Abriss des „Kaiserin Elisabeth Spitals“ zieht, ausgerechnet einem Ort der Wissenschaft!, spukt es. Der obige Ausschnitt steht allerdings nicht für das Gesamte. Basierend auf der trashigen Horror-TV-Serie von Lars von Trier „The Kingdom“ bewegt sich diese Inszenierung ständig auf einer Grenze. Allein die erste Szene, wie eine hoch literarische Kurz-Prosa für sich stehend, zeigt dies. Zwei statische Putzfrauen, die nichts anderes als den Besen selbst reinigen, während sie wie ablesend sprechen: „Wenn die Welt traurig ist, weinen die Kinder. Wenn die Welt schrecklich ist, weinen die Erwachsenen. Aber was ist mit der Welt, wenn sogar die Häuser weinen?“

Und dieses Krankenhaus weint ständig. Aus der Decke hängt neben einer großen Lampe ein Beton- verschmiertes Rohr, konstant in einen Eimer tropfend. An der hinteren Wand stehen derweil stilisierte Versionen präservierter Köpfe, zur Erforschung von Schilddrüsenerkrankungen. (Hier zum Beispiel findet sich eine der Querverstrebungen zum Kaiserin Elisabeth Spital, das sich als Schilddrüsen-Zentrum europaweit einen Ruf machte.)

„Kranke Ärzte – wo gibt es denn so was!“

Unter dem monotonen Tropfen spielt sich vieles nebeneinander ab. Da ist zum Beispiel der Handlungsstrang einer deutschen Neurochirurgin, Dr. Helmer (gespielt von Carmen Schrenk), die angeklagt ist, durch einen Kunstfehler die junge Patientin Mona (Gunda Kinzl) zu einem Pflegefall gemacht zu haben. Nun setzt Dr. Helmer für ihr gefährdetes Ansehen alle Hebel in Bewegung, bis hin zu einer Straftat mittels Bestechung einer Pflegerin (Wally Friedl).
Diese schauspielerisch schwierige Situation zwischen Doktorin, aber vor allem Mutter (Judith Neichl) und Kind war regietechnisch gewagt, nicht zuletzt wegen der schweren Behinderung Monas, ist aber durch die schonungslose Umsetzung und schauspielerische Leistungen eine der stärksten Seiten des Stückes.

Die äußerst kurzen, prägnanten Szenen mit Reinigungskräften verschiedener Anzahl (Lisa Pavitschitz, Vanessa Dorlijski oder Christina Strnad), ziehen sich durch das gesamte Stück und sind schon allein textlich ein Geniestreich. Wahrscheinlich angelehnt an die Teller- waschenden Krankenhausangestellten aus Triers Serie, (in der sie beide von Darsteller/-innen mit Trisomie 21 gespielt werden), wissen sie Dinge, integrieren sich in den morschen, abrissreifen Hospital-Komplex. Dabei bleiben die Reinigungskräfte immer auf einer distanzierten, literarischen Ebene, sind wortkarg, oft steif und so sehr geschickt (ohne Behinderung) inszeniert – mehr Krankenhaus als Mensch.

In einer weiteren Konstellation steht Dr. Arnsberg (Madgalena Lermer) einer alten, komatösen Patientin (Christina Strnad) gegenüber, zwischen ihnen eine moralische Grauzone. „Geister“ vom Jungen Salon setzt sich hier subtil mit dem Forschungsargument in der Medizin auseinander, und die möglichen unethischen Auswüchse, die sich daraus im Tun der Schilddrüsenexpertin Arnsberg ergeben. („Sie würden für ein neues Präparat doch über Leichen gehen!“) Diese Auswüchse gehen weit zurück, über Generationen, und haben nicht wenig mit jenem alles auslösenden Wesen zu tun. Was als Luftzug anfängt, breitet sich wie ein Krankheitsverlauf im gesamten Gebäude aus, befällt sämtliche Figurenkreise.

Zwischen Séancen, Kleiderhaken und plötzlichem Blut

Zwischen Séancen, Beschwörungsstöcken in Kleiderhakenform, plötzlichem Blut, lyrisch- philosophischen Putzfrauen, einer ergreifenden Todesszene eines Patienten ( Mikey Kirchhofer), einer genial eingesetzten Puppe, dem absurden Windmühlenkampf der Primarin (Luzia Oppermann) gegen den Abriss des Hospitals, vielen Teufelsbeschuldigungen und Kreuzen, Vaterunsers und schlechten Vätern, verzweifelter Mütter, trauernder Töchter und sogar einer Ministerin mit erstaunlicher Körperspannung (beide Heidy Fu) und nicht zu vergessen einer Dame der SVA (Judith Neichl), die in der dritten Szene auftritt und in der letzten noch immer nicht den Ausgang gefunden hat, zwischen all diesen scheinbar konträren Elementen ergibt sich in „Geister“ eine seltsame Kohärenz. Was zu Beginn als Kontrast die vielen verschiedenen Ebenen trennte, fügt sich in ein Gesamtes. Welches das Krankenhausgebäude ist.

Nass, dunkel, und beengt. Die Bühne im brick-5 ist sehr klein und ebenerdig. Anfangs war das eher nachteilig, von der vierten Reihe aus konnte man große Teile des Bühnenbodens nicht sehen. Doch zeigt sich zunehmend im Verlauf, wie geschickt die Enge dem Stück zuspielt. Dazu wird der Raum virtuell vergrößert durch verschiedene Videoprojektionen von Gängen, Kellern und Fahrstühlen auf eine seitliche Wand zwischen Bühne und Publikum. Die Enge büßt jedoch nichts in seiner Wirkung ein, eher verstärkt die Projektion das Gefühl im Publikumsraum, in einem surrealen, lebendigen Kellerraum zu sitzen.

Das ständige Tropfen, die Kürze der Szenen und die vielen Blacks, die mehr wie unbehagliche Stromausfälle wirken, werden als notwendiges Mittel eingesetzt. Das Sekundengezähle, all diese kleinen Details zwischen den großen Bildern, etwa einem Dr. Krone, der auf Knien und rosenkranzbetend über die Bühne kriecht, musikalisch extrem wirkungsstark untermalt – alles spielt auf eine spukhafte Art ineinander.

Und Horror ist jetzt auf einmal Kunst, ja klar!

Die Musik (Felix Pöchhacker, Benedict Schlögl) trägt hier einen enormen Teil dazu bei. Sämtliche Ebenen werden bedient, optisch und musikalisch. Es war mutig, sich des Horror-Genres zu bedienen, ist es doch durch Filmen wie „SAW“ und der gleichen ein sehr seichtes und hat auch einen Ruf als solches. „Geister“ erzeugt eine ganz andere Färbung von Horror. Es ist vielleicht auch weniger „trashig“ als die Trier-Serie, mit traurigeren Noten und einer anderen Art von Musik, ohne die die Produktion des Jungen Salons diesen feinen Spagat wohl nicht so gut hinbekommen hätte.

Ungewöhnlich ist bei „Geister“ der Aufbau des Spannungsbogens. Gleich am Anfang ist klar, dass es spukt. Das Publikum muss das auch schnell einfach hinnehmen. Bei den meisten Produkten dieses Genres wäre jetzt aus Ermangelung eines tatsächlichen Plots das meiste Pulver verschossen worden. Nicht hier. Ich denke, das spricht sehr viel über das Stück. Noch ein Tipp: Achten Sie auf den Milchreis mit Mandeln. Er führt zu einer der allerschönsten letzten Szenen.


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Ach, ich habe Sie gewarnt, hier hätten Sie dringlichst zum Lesen aufhören müssen!
Nun ist es zu spät, oh, das tut mir ja so leid! Aber jetzt tropft es aus ihrem Bildschirm, das Wasser sickert in die Seite und macht sie ganz unlesbar gewellt. Achtung!, da kommen schon die plötzlichen Stromausfälle. Woher die ganzen rostigen Kabel kommen oder was Sie mit ihnen tun müssen, das weiß ich dummerweise nicht, aber eines ist von allergrößter Wichtigkeit.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]


Termine:
25.- 27. April 2014, 30. April und 1. -2. Mai 2014 ab jeweils 19:30
im Brick-5, Fünfhausgasse 5, 1150 Wien

Links:

Informationen zu „Geister“
Ticketreservierung
Trailer
Kritik von Fabienne Sigaud (Junge Kritik)

 

Hier wird nur an Weihnachten geheizt!

Hier wird nur an Weihnachten geheizt!

Triste Zustände herrschen in dem fiktiven Krankenhaus vor, in welchem das Ensemble des „Jungen Salons“ in ihrem Stück „Geister“ versucht, dem Spuk in einem Hospital auf den Grund zu gehen.

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Die Reise hinter die Mauern des Hospitals und in die seelischen Abgründe des dort arbeitenden Personals beginnt für die Zusehenden mit dem Bild der jugendlichen Schauspieler, wie diese sich ihre Kostüme anlegen. Es ist interessant, den Prozess zu beobachten, wie aus jungen Menschen Ärzte, Pfleger und Krankenschwestern werden. Unterstrichen wird diese Verwandlung durch trance-artige Musik, das Licht ist warm, die Atmosphäre entspannt – dies ändert sich ab der ersten Szene. Das Publikum befindet sich nun in einer anderen Welt – ein Krankenhaus mit schwingenden weißen Arztkitteln und violetten Putzuniformen, von Schimmel überzogenen Zimmerdecken, kaltem Neonröhrenlicht und einer Gruppe von Reiningungskräften, die in einer ganz eigenen Welt zu leben scheinen und die Ereignisse an ihrem Arbeitsplatz ganz anders wahrnehmen, als der Rest der Protagonisten.

Schimmel, Holzwurm, Abriss!

„Tropf, tropf, tropf“ ist durchgehend zu hören, wenn das Publikum für rund zwei Stunden in den Wahnsinn und die merkwürdigen Geschehnisse eintaucht, die sich in einem abbruchreifen Wiener Krankenhaus abspielen. Ein Installateur gibt den fachkundigen Rat, sich die Renovierung des Hospitals zu sparen, ganz klar: Das Gebäude gleich abzureißen wäre sinnvoller, denn dort ist wahrlich der Wurm drinnen: Hier ist das Holz morsch, da tropft es von der Decke – alles undicht, alt, baufällig. Doch nicht alle Personen, die in dieser Anstalt ein und aus gehen, teilen die Meinung des Fachmanns. Leiterin des Hospitals, Doktor Moosgarten ist der festen Überzeugung, dass sich das Blatt noch wenden lässt und versucht durch das Projekt „Operation Morgenluft“ die Gunst der Ministerin Stöger zu gewinnen, damit diese sich gegen die Schließung des Hospitals einsetzt. Auch Dr. Krone und die Putztruppe zweifeln an den kaputten Rohren: „Unser Haus weint!“ – aber könnte es sich hier nicht um den Geist eines Mädchens handeln, der ziellos durch die langen Gänge streift und mit Vorliebe den Fahrstuhl benutzt?

Beerdigen? Ist das Ihr Ernst?

Die angesehene Ärztin Dr. Helmer soll wegen einer missglückten Operation an der kleinen Mona verklagt werden und um dies zu verhindern, ist ihr jedes Mittel recht. Für das Schicksal der nun geistig und körperlich behinderten Mona fühlt sich in dem Hospital niemand richtig verantwortlich, einzig die stets präsente Putztruppe scheint Veränderungen in Monas Verhalten wahrzunehmen. Die Ärztin Dr. Arnsberg würde für ein besonders schönes Kropfexemplar in ihrer persönlichen Sammlung alles tun und verlässt den Weg der Moral, rettet sich so letztendlich selbst aus einem Lügengespinst. Unterdessen begibt sich die wiederkehrende Simulantin Suse Melchior heimlich auf die Suche nach dem Geist des kleinen Mädchens. Als einziger optischer Farbtupfen auf der Bühne in einem gemütlichen Pyjama schart sie andere nervöse Patienten um sich und dringt immer tiefer in die Geheimnisse des Krankenhauses und dessen Ärzte vor.

Wo ist denn hier der Infopoint?

Den Weg aller Beteiligten kreuzt eine topmotivierte Angestellte der SVA, die ebenfalls in das Chaos der Protagonisten eingesogen wird und verzweifelt nach einem Ausgang sucht. Doch hier wird den Zuschauenden klar, dass niemand in diesem Hospital wirklich weiß, wo und ob es einen Ausweg aus dem Wahnsinn gibt.

Im Laufe dieses Zweiteilers durchlaufen die Charaktere eine Wandlung und beginnen Anzeichen des brodelnden Irrsinns zu zeigen: Das normalerweise verlassene und sicher verschlossene Archiv im Keller des Hospitals kann regen Besuch vorweisen, es werden Beruhigungstabletten durcheinander und en masse geschluckt, Brandy vor dem Operieren konsumiert, Seancen abgehalten, hastig Rosenkränze gebetet und einfache Installateure werden zu bewunderten Ärzten.

Die Anzahl der Schauplätze ist groß, zwischen beinahe jeder Szene wird im Halbdunkeln nahtlos und zügig umgebaut – es ist offensichtlich, dass es sich bei dem Ensemble um ein gut eingespieltes Team handelt. Die Umbauten sind in keinster Weise störend, sondern den Zuschauern und Zuschauerinnen wird Zeit gegeben, die vorherige Szene besser mit der komplexen Handlung zu verbinden.
Als besonders faszinierender Schauplatz sticht hier das Arbeitszimmer von Dr. Arnsberg hervor, in welchem sich ihre Kropf-Sammlung befindet – wunderschön installiert durch Bühnenbildnerin Anna Feilkas durch Porträtfotos von Frauenköpfen, die einzeln beleuchtet werden und an den Bühnenwänden verteilt sind. Weiters wurde bei „Geister“ viel mit Video-Installationen gearbeitet, die mit einem Teil des Ensembles in einem Wiener Krankenhaus gedreht wurden und die gruselige Atmosphäre des Krankenhauses wunderbar unterstreichen. Auch die Rolle des Geistermädchens wird so wesentlich verständlicher gemacht, da das Publikum hier immer wieder den „Geist“ eines Mädchens durch die langen Gänge im Bild gehen sieht. Interessant gewirkt hat dies auch als visuelle Vergrößerung der Bühne, der Fahrstuhl konnte so ebenfalls gezeigt werden.
Unterstützt werden diese gruseligen Elemente durch die musikalische Untermalung von Felix Pöchhacker und Benedict Schlögl, deren Kompositionen unter anderem die Umbauten im „Black“ begleiten. Besonders das Licht wurde in dieser Produktion interessant eingesetzt und so hebt das kalte, bläuliche Neonröhrenlicht die abweisende, unheimliche Atmosphäre der Hospitalflure hervor, ein anderes Mal dient eine flackernde Neonröhre als Kommunikationsmittel zur Totenwelt.

Unter der Regie von Isabella Wolf bringen hier 13 Jugendliche eine spannende und amüsante Satire über den menschlichen Wahnsinn auf die Bühne und porträtieren überarbeitete, nervlich überstrapazierte Gestalten eines Krankenhauses, die im Laufe der Handlung den Bezug zur Wirklichkeit allmählich verlieren und sich den Spuk in ihrem Hospital nicht mehr mit Halluzinationen erklären können.
Trotz des jungen Alters der Mitwirkenden werden die seelischen Abgründe der Charaktere überzeugend und originell herausgearbeitet gespielt. Der Spuk und die Angst der Menschen werden gut gezeigt, die in sich geschlossene Geschichte wird flüssig und verständlich erklärt. Einzig die Rolle der immer wiederkehrenden Putztruppe mit ihren poetischen Einschüben über den menschlichen Charakter des Gebäudes wird nicht wirklich ersichtlich, lässt es den Zusehenden aber frei, dies als weiteres Gruselelement oder als Reflexion über die innere Verwirrtheit und Verzweiflung der Protagonisten zu interpretieren. Allerdings stören diese Szenen den Fluss der Geschichte nicht unbedingt und geben dem Publikum die Möglichkeit, das interessante Zusammenspiel der Video-Installationen, der Musik, des kalten Lichts und der liebevoll-kreativ gestalteten Bühne auf sich wirken zu lassen.
Nach dem endgültigen Abgang der SchauspielerInnen ist man durchaus erleichtert, nicht selbst in so einem Krankenhaus zu arbeiten und beschließt, sich von kompletter Überarbeitung und dunklen Archiven auch in Zukunft fernzuhalten und: Um größere Gruppen von Reinigungstruppen herum einen großen Bogen zu machen.

Diese Produktion des Jugendclubs des „Salon 5“, der im 15. Wiener Gemeindebezirk in der Fünfhausgasse 5 ansässig ist, kann noch am 30.4, 1.5 und 2.5, jeweils um 19:30 besucht werden. Reservierungen an jungersalon.tickets@gmx.at.

Der Trailer ist hier zu sehen: https://vimeo.com/92386771
Kritik von Michaela Preiner: Gott geht auf Weltreise
Kritik von Benedikt Müller (Junge Kritik)

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