von Michaela Preiner | Mrz 16, 2016 | Debatte, Theater
Es gibt viele Kreative, die scheinen ein nicht enden wollendes Potential von Ideen in sich zu tragen. Und dann gibt es einige wenige, die diese Ideen auch umsetzen. Zu letzter Gruppe gehört Anna Maria Krassnigg, die sich mit ihrem Salon5 ein neues Format ausgedacht und auf Schiene gebracht hat.
„Reden“ ist der Titel einer fünfteiligen Serie, die jeden dritten Dienstag im Monat im Festsaal des Alten Rathauses in der Wipplinger Straße stattfindet. Wer mit dieser Datumsangabe ins Schwimmen kommt, dem seien die Termine auf der Homepage des Salon5 ans Herz gelegt. Das genaue Programm wird dort jeweils ca. 2 Wochen vor der Veranstaltung veröffentlicht. „Um auch die Möglichkeit zu haben, auf Aktuelles zu reagieren“, wie Anna Maria Krassnig auf Nachfrage erläuterte.
Die Location hätte nicht besser ausgesucht werden können. Denn bei „Reden“ geht es tatsächlich um nichts Anderes, als darum, historische, aber auch brandaktuelle Reden vorgetragen zu bekommen. Von Schauspielerinnen und Schauspielern, die diese Kunst auch beherrschen. Und wo könnte man dies besser tun als coram publico von einem tatsächlichen Rednerpult aus. Die „erlesene Rhetorik“, wie Krassnigg die ausgewählten Texte doppeldeutig benennt, folgen pro Abend einer bestimmten Thematik. „Reden gegen Brandstifter“ war der erste Generaltitel.
Zum Auftakt gab es Ciceros berühmte erste Rede gegen Catilina, Joschka Fischers aufsehenerregende Rede zum Nato-Einsatz im Kosovo, sowie Navid Kermanis berührende, aktuelle Rede zur Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels. Nicht nur zu hören, sondern auch zu sehen.
„Reden“ Martin_Schwanda (c) Christian Mair
Martin Schwanda, mit weißem Sakko und goldglänzend bemustertem Hemd eröffnete mit Ciceros Aufruf an seinen Feind, Catilina, die Stadt zu verlassen. Wer immer auch beim Lateinunterricht Cicero übersetzen musste, außer er oder sie war eine Koryphäe in dieser Sprache, wird vielleicht zum ersten Mal die ausgeklügelten rhetorischen Finten verstanden haben, die Cicero hier anwandte.
„Reden“ Jens Ole Schmieder (c) Christian Mair
Die Beschwörung des Gemeinwohls, wie er es tat, war auch in Joschka Fischers Rede ein Thema, die während ihres spannenden Vortrags durch Jens Ole Schmieder von Pfiffen und Zwischenrufen aus den Rängen begleitet wurden. Ganz wie an jenem Bundesparteitag der Grünen, an welchem Fischer dringend seine Parteifreundinnen und –freunde zur Einigkeit aufrief.
„Reden“ Horst_Schily (c) Christian Mair
Den berührenden Schluss gestaltete Horst Schily, der die Rede von Navid Kermanis wiedergab, die dieser anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels vortrug. Die Bedrohung der Christen und der Muslime durch die IS in Syrien stand im Mittelpunkt seiner Ausführungen und es ist Krassnigg zu danken, dass sie mit dieser Auswahl eine Rede an ihr Publikum weiterleitete, die von Hellsichtigkeit, Menschlichkeit und Hoffnung getragen und der tatsächlich eine größt mögliche Verbreitung zu wünschen ist.
Der international renommierte Literatur- und Kulturwissenschaftler Wolfgang Müller-Funk hat am Eröffnungsabend mit Anna Maria Krassnigg gemeinsam moderiert, seine Sicht auf die vorgetragene Rhetorik erläutert und auch aus seinem breiten Wissensspektrum zusätzlich Informationen ans Publikum weitergegeben.
„Reden“ erwies sich beim Auftakt als ein Format, das nicht nur mit einem theatralischen Element ausgestattet ist. Vielmehr ist es dazu prädestiniert, anhand von ausgewählter Rhetorik, sich mit Ideen zu beschäftigen, welche die soziale und politische Wirklichkeit vieler Menschen beeinflusst haben und vielleicht auch in Zukunft beeinflussen werden.
Wer mag, wandert im Anschluss der Vorstellungen jeweils mit ins Café Korb, dem „verlängerte Wohnzimmer“ des Salon5. Um dort mit den Beteiligten im persönlichen Austausch zu – wie sollte es auch anders sein – reden.
Hier die Homepage des Salon5 mit den Terminen.
von Michaela Preiner | Mai 17, 2013 | Debatte
Auf dem Youtube-Kanal von Netzzeit ist die Rede von einem Shitstorm der Medien, der über die Macher und ihr Werk „Join“ hereinbrach. Auch unsere Kritik ließ die Emotionen zumindest bei Michael Scheidl, dem Regisseur und netzzeit-Chef, hochgehen. In einer Debatte, die zum Teil per Mail und per Telefon geführt wurde, bzw. noch geführt wird, dreht es sich immer wieder um das Thema: „Was darf die Kritik und können Rezensionen und deren SchreiberInnen die Freiheit der Kunst beschränken“. Hier können Sie die Kritik noch einmal nachlesen: Join – oder lieber doch nicht!
strong>E-Mail von Michael Scheidl vom 15. Mai 2013
Sehr geehrte Damen und Herren!
Natürlich bin ich immer froh, wenn Kritiker klar ihre Meinung äußern, welche diese auch immer sein mag. In diesem Sinne habe ich mich über Ihre Kritik an der Oper AMAZONAS/TILT und AMAZONAS/A QUEDA DO CEU ebenso erfreut, wie ich mich auch an Ihrer Kritik über JOIN! hätte erfreuen können, auch wenn diese alles andere als positiv ausfiel. Leider war das nicht möglich, weil die Autorin/der Autor mich als Regisseur (und implizierend auch alle anderen, deren Arbeit offenbar nicht gefallen hat) „vor den Kadi zitiert“ wissen möchte. Ich möchte mich nicht detailliert darüber auslassen, welches besonders traurige Beispiel die Geschichte aufweist, wo Künstler von Gerichten be- und verurteilt wurden, weil sie Kunst produziert haben, die diversen Menschen mißfiel. Das ist eine Form von Entgleisung, die die Frage aufkommen lässt, inwieweit Ihre Seite überhaupt berechtigt ist, sich European CULTURAL News zu nennen. Oder umgekehrt: Wie weit ist es mit der europäischen Kultur gekommen, wenn deren Medien derartige Anschläge auf demokratische Grundregeln und die Freiheit der Kunst verbreiten, die eigentlich ins rechtsrechte Lager gehören? Ihre AutorInnen könnten sich wenigstens von den hier angesprochenen Exponenten demokratiefeindlicher politischer Gruppierungen unterscheiden, dass sie mindestens so viel Courage besitzen, Ihre Namen unter Ihre Artikel zu setzen.
Mit sehr enttäuschten Grüßen
Michael Scheidl
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Antwort des technischen Admistriators
Sehr geehrter Herr Scheidl,
vielen Dank für Ihre Mail bezüglich „Join“. Als technischer Administrator ist es mir hochnotpeinlich, da ich bei der letzten Umstellung schlicht vergessen habe, die Ansicht des Autoren zu aktivieren. Dies ist natürlich sofort korrigiert worden, da es eine der Maximen der European Cultural News ist mit dem Namen zu seiner Auffassung und Meinung zu stehen. Die Autorin wird sich heute am Nachmittag persönlich bei Ihnen melden.
Mit größtem Bedauern
Michael Preiner
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Antwort von Herrn Scheidl an den technischen Administrator
Na, dann blicke ich der Antwort der Autorin, die Künstler vor Gericht bringen möchte, wenn deren Arbeit ihren Vorstellungen nicht entspricht entgegen. Wenn es nach Anderen gegangen wäre, hätte ich diese Anmutung längst beim Presserat hinterbringen müssen.</div>
MFG
Michael Scheidl
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Antwort der Autorin an Herrn Scheidl
Sehr geehrter Herr Scheidl,
ich scheue keine persönliche Kontaktaufnahme in Fällen von kommunikativer Dissonanz, konnte Sie aber unter der bei netzzeit angegebenen Telefonnummer leider nicht erreichen. Deswegen wähle ich die etwas unpersönlichere Schriftform um auf Ihre Mails – das untenstehende und das an den Administrator gerichtete, das dieser selbstverständlich an mich weitergeleitet hat, zu antworten.
Grundsätzlich bin ich Ihnen dankbar, dass Sie uns auf unser technisches Missgeschick aufmerksam gemacht haben, welches das Aufscheinen meines Autorennamens bei diesem Artikel verhindert hat. Wir haben dies wenige Minuten nach Ihrer Mail sofort geändert. Ich stehe jederzeit mit meinem Namen für meine Artikel ein, auch wenn diese, wie im Fall von „Join“, nicht immer überschwänglich positiv ausfallen.
Um nun auf den Inhalt Ihres Mails näher einzugehen, möchte ich explizit aussprechen, dass es mir leid tut, dass Sie mit der Formulierung „vor den Kadi zitieren“ den Reichsgerichtshof assoziieren, was weder meine Intention war, noch mein Verständnis dieser Formulierung widerspiegelt. Für mich bedeutet diese Formulierung, in einer Rezension benutzt, dass die Verantwortlichen sich mit ihrem Werk den Fragen einer kritischen Öffentlichkeit stellen sollten. Meine persönliche subjektive Kritik, die per se keine Objektivität beanspruchen will, ist im Weiteren im Artikel offengelegt und es steht Ihnen selbstverständlich jederzeit das Recht zu, diese zu kritisieren.
Was mich nun doch sehr irritiert ist, dass Sie, wie im zweiten Mail dargelegt, aufgefordert wurden, meine Rezension vor den Presserat zu bringen, denn das käme nach meiner Auffassung nach einem Versuch gleich, meine Meinungsfreiheit einschränken zu wollen. Allerdings sähe ich der Anrufung des Presserates gelassen entgegen,
da ich weder explizit noch implizit zur Verfolgung oder Unterdrückung der künstlerischen Freiheit aufgerufen und dies bis jetzt auch noch nie getan habe und auch nie tun werde. Die künstlerische Freiheit stellt für mich – ähnlich wie die Meinungsfreiheit – eines der höchsten Güter einer Demokratie dar.
Ich bin der Meinung, dass das Journal „European-Cultural-News“ ohne Unterlass eben für diese Freiheit eintritt und künstlerisches Schaffen durch die Veröffentlichung von Kritiken von sich aus auch wesentlich unterstützt. Das können Sie auch aus vielen unserer Artikel, veröffentlicht in den letzten Jahren, deutlich herauslesen. Ich bin mir sicher, dass sich darunter auch nicht ein einziger befindet, der in irgendeiner Art und Weise mit rechtslastigem oder undemokratischem Gedankengut in Verbindung zu bringen ist.
Allerdings finde ich die Diskussion für unsere Leserinnen und Leser höchst interessant und bitte Sie deshalb, unsere Korrespondenz im Original auf unserem Portal veröffentlichen zu dürfen. Gerne bin ich auch bereit, mit Ihnen ein schriftliches Interview zu führen, in welchem Sie Ihre Beweggründe für die Inszenierung ausführlich erläutern können. Ich hoffe damit, das Missverständnis, bezüglich meiner Sie und andere offensichtlich in Ihrem Demokratieverständnis negativ getroffenen „Kadi-Aussage“, ausgeräumt zu haben.
Mit kunstvollen Grüßen,
Michaela Preiner
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Antwort von Herrn Scheidl
Sg. Frau Preiner!
Was ich in unserem Telefonat vielleicht nicht ganz klar rübergebracht habe an Sie: Sie beharren darauf, ein Kritiker sei Richter. Gleichzeitig beharren Sie auf dem Recht der subjektiven Meinung. Da werden Sie sich entscheiden müssen. Ein Richter vetrtritt das Gesetz. Und hat auch danach zu urteilen. Gottseidank nicht nach seiner subjektiven Meinung. Also – überlegen Sie sich, wofür Sie sich entscheiden wollen. Dort wo Richter nach ihrem Gutdünken Urteile fällen können, nennt man das Ganze Diktatur.
MFG
Michael Scheidl
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Antwort European Cultural News
Sehr geehrter Herr Scheidl,
ich bin froh, dass wir gestern in unserem Telefonat zumindest den Konsens „we agree to differ“ feststellen konnten und bedanke mich auch für Ihre Zusage, unsere schriftliche Diskussion veröffentlichen zu dürfen. Ihre kurze Mail von heute beinhaltet ein großes Beantwortungspotenzial. Wie ich gestern versuchte aufzuzeigen, sind meine Kritiken zwangsläufig subjektiv gefärbt, was nicht ausschließt, dass sie – natürlich im metaphorischen Sinn – auch einem Richterspruch gleichkommen. Das von Ihnen geforderte Entweder-Oder kommt somit lediglich einer suggestiven Richtungsbeeinflusung gleich, der ich mich jedoch entziehen muss. Allerdings möchte ich dies noch ein wenig erläutern.
Wenn ich ihrer Aussage zustimmte, dass die Rezension tatsächlich einem Richterspruch gleich käme, dann müsste man die Metaphorik komplett außer Acht lassen und die Position des Richters nur auf den rein juristischen Begriff beschränken. Was in diesem Zusammenhang etwas befremdlich ist. Und dennoch – um ihrer Argumentation noch ein wenig entgegenzusetzen – ist auch ein Richter vor Subjektivität nicht gefeit – was in seinem Subjekt ja schon begründet liegt. Darüberhinaus hat jeder Richter – vom Gesetz so vorgesehen – bei seinen Urteilen einen gewissen Ermessensspielraum und gerade in Strafprozessen fließt auch ein gehöriges Maß an subjektiver Beurteilung mit ein. Dieser kurze Ausflug hat für mich jedoch keine wirkliche Relevanz, was meine Kritik an der Produktion anlangt, um dies noch einemal festzuhalten. Da ich weder Strafen verhängen will, noch kann, aber trotzdem eine „Musterung“ (Rezension) durchführe und mein „Urteil“ fälle, stellt der metaphorische Gebrauch der Redewendung „vor den Kadi zitieren“ eine sehr eindeutige Positionierung dar. Zum Abschluss dieses Komplexes möchte ich eine vielleicht noch provokante Frage stellen. Nehmen wir an, ich hätte mich entschieden zu antworten, dass meine Position tatsächlich einer juristisch richterlichen gleichkomme. Was bitte müsste man dann als „Gesetz“ bezeichnen nachdem ich handeln müsste. Oder anders formuliert: Welches Gesetz habe ich mit meiner Rezension gebrochen? Gibt es „Gesetze“ die das Verfassen von Kulturkritiken regeln, die Verbote aufstellen und die Freiheit meiner Meinungsäußerung einschränken? Sind dies vielleicht ungeschriebene Gesetze, so etwas wie ein „common sense“, den ich mit meiner Kritik durchbrochen habe?
Wichtig jedoch ist, dass ich meine subjektive Meinung weder als allgemeingültig noch als objektiv darzustellen versuche, womit der Hinweis auf eine Diktatur für mich völlig ins Leere läuft. Sie deuten immer wieder an und sprechen immer wieder davon, dass es unzulässig sei und die Grenze des Zumutbaren mit der Aussage überschritten wäre dass auch Sie vor den Kadi zitiert gehörten und empfinden enormes Unbehaben wegen dieser Wortwahl. Dabei scheinen Sie ganz zu vergessen, dass auch Sie als Theatermacher ständig Urteile fällen müssen. Sie beurteilen die Stücke, die in Ihrem Theater gespielt werden. Sie und Ihre KollegInnen besetzen Rollen usw., deshalb nehmen auch Sie eine Beurteilungsrolle ein und sind in diesem Kontext ein metaphorischer Richter, ja ich behaupte sogar, dass ihr Einfluss im Theatergeschehen weit höher anzusetzen ist als der meine und dass Sie über mehr Macht verfügen als ein Rezensent oder eine Kritikerin, entscheiden Sie doch unmittelbar über die künstlerische und wirtschaftliche Zukunft von KünstlerInnen und Kunstschaffenden.
Ich selbst bin mir allerdings meiner öffentlichen Postion sehr bewusst und mache mir auch deswegen meine Beurteilung einer künstlerischen Produktion nicht leicht, was Sie aus den Texten von mir vielleicht auch herauslesen können. Jeder und jede im Kulturbetrieb im weitesten Sinne Tätige, sollte über die eigene Machtposition reflektieren und daraus die richtigen Schlüsse ziehen. Ich persönlich unterscheide prinzipiell zwischen Kunstschaffenden, die noch am Beginn ihrer Karriere stehen und solchen, die schon lange in ihrem Metier arbeiten. Denn ich bin der Meinung, dass es einen großen Unterschied macht, ob ich die Arbeit von jungen Menschen analysiere, oder solche von Erfahrenen, wie es im Fall von „Join“ gewesen ist. Im zweiteren Fall gehe ich davon aus, dass das Erfahrensspektrum ein wesentlich höheres ist und auch dementsprechend in eine Arbeit einfließt und die Wirkungen einer Kritik von den ProtagonistInnen anders aufgefasst und beurteilt wird als dies bei „Newcomern“ zu erwarten ist. Ich bin mir auch bewusst, dass diese Mail für weiteren Diskussionsbedarf sorgen wird, aber genau dies ist meine Absicht, denn nur so kann ein Diskurs über die unterschiedlichen Positionen geführt werden.
Mit kunstvollen Grüßen
Michaela Preiner
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Antwort von Michael Scheidl vom 18. Mai 2013
Sehr geehrte Frau Preiner!
Wir wollen doch gleich einmal Folgendes klarstellen: Es ist nicht m e i n e Aussage, dass eine Rezension einem Richterspruch gleichkäme, sondern ihre. Ich habe ja lediglich darauf hingewiesen, das WENN, wie Sie mir ja am Telefon mitgeteilt haben, der Kritiker tatsächlich eine Art Richter ist, dann wäre eine Rezension ein Richterspruch. Darin äussert sich ja, weswegen der Begriff Kadi(=Richter) als Metapher für einen Kritiker ein vollkommener Unsinn ist. Welche Position des Kadis möchten Sie denn gerne noch einbezogen wissen, wenn Sie schreiben, ich hätte mich auf den rein juristischen Begriff beschränkt?
Sie wollten mir ja am Telefon auch weismachen, dass Sie mit der Floskel „vor den Kadi zitieren“ eigentlich gemeint hätten „einer kritischen Öffentlichkeit aussetzen“. Auf meine Bemerkung, dass dies überflüssig sei, weil ich mich einer kritischen Öffentlichkeit ja ohnehin schon ausgesetzt habe zu dem Zeitpunkt, da ich meine Inszenierung, der Koglmann seine Komposition, der Zellinger sein Libreto etc. zur Aufführung gebracht haben. Und die „kritische Öffentlichkeit“ ist ja dann auch noch durch Ihre Kritik und die vieler anderer sowieso schon längst erreicht. Da muss man nicht auch noch vor einen Kadi zitiert werden. Auch da kann ich was nicht verstehen und muss Sie schon wieder darauf hinweisen, dass Sie sich wohl entscheiden werden müssen: Entweder „kritische Öffentlichkeit“ – was ja ein bisschen schwammig ist – oder „Kadi“, was ja, wie Sie richtig angemerkt haben eine subjektive Person ist und daher etwas völlig Anderes als „kritische Öffentlichkeit“.
Erfreulicherweise – und wie ich auch erwartet habe – sind Sie aber selber draufgekommen, dass es mit der ganzen Kadi-Metapher ein besonderes Problem gibt: Ein Kadi gehorcht Gesetzen, mit einem gewissen Spielraum meinetwegen, der ja aber bekanntlich nicht gewaltig sein soll. Und deshalb klappt die ganze Metapher nicht: Oder wollen Sie etwa gerne Kadi sein, vor dem Sie die Künstler nach Belieben zitieren können, weil Sie bestimmen wollen, nach welchem Gesetz hier be-, wenn schon nicht verurteilt wird, weil also irgendwelche Künstler zum Beispiel ihre persönlichen Geschmacksnerven beleidigt haben? Geht man nicht dann zum Kadi, wenn sich jemand einer gesetzlichen Verfehlung schuldig gemacht hat, nach klaren Gesetzen? Ist es nicht so, dass ein solcher Mensch, der „vor den Kadi zitiert wird“ im Verdacht steht ein Gesetz verletzt zu haben, und daher im Verdacht steht ein Krimineller zu sein? Ist es daher, sehr geehrte Frau Preiner nicht so, dass wir mit der Kadi-Metapher zwangsläufig dort landen müssen, dass irgendwer (Sie? Die Kritiker? Wer auch immer?) ein Gesetz behauptet, das entscheidet, was gute und was schlechte Kunst ist oder auch art-ige und ent-artete Kunst? Sie sind so rasend empfindlich, was die angebliche Einschränkung der Pressefreiheit betrifft, wenn überhaupt nur jemand in den Raum stellt, man sollte vielleicht mal im Presserat darüber diskutieren oder nachdenken, ob eine Formulierung wie „Künstler vor den Kadi zitieren“ vielleicht irgendwelche Grenzen überschreitet, die Sie halt gerne dort nicht hätten. Andererseits ist aber der Ansatz Künstler vor den Kadi zu zitieren geeignet, die Freiheit der Kunst erheblich zu beugen. Und was ist eigentlich diese von Ihnen erwähnte „kritische Öffentlichkeit“, von der Sie am Telefon gemeint haben, durch die Sie die Metapher des Kadis ersetzen könnten? Ist d a s dann auch so eine Art common sense, dem sich die Freiheit der Kunst zu beugen habe?
Im Übrigen GIBT es Gesetze, die das Verfassen von Veröffentlichungen regelt. Es gibt tatsächlich Formulierungen, die zu Recht vom Presserat verurteilt oder sogar vom Gesetz unter Strafe gestellt werden und wurden, so sie veröffentlicht wurden. Und ich hoffe doch, dass Sie gegen Gesetze, die das regeln nichts einzuwenden haben. So, wie wir auf der Bühne oder in der Kunst ganz allgemein auch nur bis zu einer ganz bestimmten Grenze machen können, was wir wollen – und auch das ist gut so.
Bedauerlich ist auch die Häufung von Mißgeschicken und Missverständnissen im Zusammenhang mit JOIN!: Da hat bei Ihnen ein Administrator die Namen der Rezensenten nicht hochgeladen.
Da hört eine Journalistin vom ORF als Einzige Buhrufe, während wir bei jeder Vorstellung mit lauten Beifallskundgebungen und anhaltenden Applaus von dem Ihrer Meinung nach betrogenen und frustrierten Publikum bekamen (bei der Premiere noch am Geringsten, was ja bei Premieren häufig der Fall ist; meine Behauptung für alle weiteren Vorstellungen ist im Übrigen ganz einfach über unsre Videoaufzeichnungen und die Tonaufnahmen des ORF beweisbar).
Da macht ein ORF-Journalist eine Zeitton-Sendung über JOIN!, in der er sich bemüßigt fühlt Koglmann-Musik von früher in perfekter Tonmischung vorzuspielen und dieser dann Ausschnitte aus JOIN! gegenüberzustellen, die grauenvoll bzw. gar nicht abgemischt sind und daher wie aus dem Kofferradio klingen, wie Herr Kagel dann selber entschuldigend zugeben musste.
Von den ca. 1700 Zuschauern sind vielleicht insgesamt 30 im ersten Akt gegangen. Der Applaus und Beifall der offensichtlich meisten Anderen am Ende aller Vorstellungen kann nicht bloß auf eine Fangemeinde von Freunden und Verwandten zurückzuführen sein. Aber vielleicht haben die ja alle keine Ahnung und sind lauter Bierzeltbesucher gewesen, die ja bekanntlich scharenweise in eine Festwochenpremiere rennen, ganz heiß darauf sind einen schlechten Maturaabend zu erleben und es nicht erwarten können dafür 35 Euro auf den Tisch zu blättern.
Der Feedback, den wir so reinkriegen von den Zuschauern, die unsere Vorstellungen besucht haben zu dem „Medienshitstorm“, der ja auch nicht flächendeckend aber sehr massiv war, ist fast ausschließlich von Unverständnis gekennzeichnet. Niemand begreift diese Berichte.
Das alles kombinierend müssen wir wohl einen Nerv getroffen haben, der sich jenseits der bloßen Behauptung befindet, es handle sich hier um schlechtes Musiktheater.
– Manche „Theatrasten“ (das ist so etwas wie die Cineasten im Theater)können Koglmann wohl nicht verzeihen, dass er Entertainment geschrieben hat, denn die meisten Zuschauer HABEN sich nun mal gut unterhalten.
– Das Libretto MUSS schlecht sein, weil es so banal daherkommt, denn sonst müsste man sich ja am Ende damit auseinandersetzen, dass sich NICHTS geändert hat bei den testimonials unserer Kultur, den Politikern, Künstlern, Wissenschaftern, die zu einem Gutteil immer noch Fortschritt, Vollbeschäftigung, grenzenlose Ressourcen und unbegrenztes Wachstum versprechen, als wären wir noch in den Sechzigerjahren. Und sie müssten darauf schauen, dass es wirklich so einfach ist: Der Großteil dieser Menschen, die an den Spitzen unserer Gesellschaft stehen SIND so ewiggestrig, engstirnig und blöd! Mir gegenüber hat beim Heurigen in Klosterneuburg ein Banker, mit dem wir zufällig ins Gespräch kamen, weil wir am selben Tisch saßen, angedeutet, nachdem ich mich als Regisseur geoutet habe, dass die Künstler halt nicht so gut mit Geld umgehen könnten. Na, mehr hat der nicht gebraucht: Ich habe ihm geantwortet, dass die Banker, die eigentlich nur dazu da sind aufs Geld aufzupassen in ein paar Tagen mehr Geld verzockt haben, als alle Künstler dieser Welt zusammen in den letzten 500 Jahren. Und deren Aufgabe ist es in erster Linie ganz bestimmt nicht, mit Geld umgehen zu können.
– Und noch etwas: Franz Koglmann hat mehrmals gesagt in den Interviews, dass ihm Vieles in der Neuen Musik anödet und das ist natürlich ein Tabubruch: Jeder weiß, dass das immer hermetischer und langweiliger wird in der Neuen Musik, aber keiner traut es sich zu sagen, weil er dann genau diese Repressalien befürchtet: Unfaire Behandlung durch ORF-Journalisten etc. Und noch etwas: Schrecken Sie nur durch dermaßen rigorose Beurteilungen qualiativ gute Komponisten davon ab, so etwas wie JOIN! zu schreiben: Die Konsequenz daraus wird sein, dass sich die Häuser noch mehr füllen mit Natürlich Blond, das dann noch blonder wird und eine Neue Musik die noch hermetischer und noch langweiliger wird. Die unselige Unterscheidung zwischen E- und U-Musik, diese prüde Kopfgeburt, die nur im deutschen Sprachraum entstehen konnte, wird fröhliche Urständ feiern und die Theater leeren. Und Sie müssen sich das dann anschauen und -hören. Und das wird dann erst so richtig fad! Aber auf ganz hohem Niveau. Viel Spaß.
– Sie beklagen den Bedeutungsverlust des Feuilletons: Ich bedaure Sie aufrichtig, wenn Sie meinen, dass Sie dessen Bedeutung durch die in solchen Formulierungen wie in der Kritik von JOIN! getätigten pseudoradikalen Formulierungen oder die Verbreitung von Unwahrheiten, wie Ihre werte Kollegin vom ORF oder durch Manipulationen von Tonmaterial wie Ihr werter Kollege vom ORF erreichen werden. Auch diese Ausführlichkeit unseres Austausches wird notwendigerweise erlahmen:
1.) Weil es nicht mein Beruf ist über Theater zu schreiben sondern es zu machen und dieser Arbeit werde ich mich wieder zuwenden.
2.) Weil ich aus den genannten Gründen erhebliche Zweifel hege, ob ich durch entprechende Zulieferung von Beiträgen zu einer sich immer weiter ausdehnenden Diskussion, und dem womöglich damit verbundenen Bedeutungszuwachs des Feuilletons wie es ist, der Kunst und ihrer Freiheit wirklich was Gutes tue.
Wenn Sie übrigens nicht die Subtilität von Koglmanns Musik in JOIN! gehört haben, dann tun Sie mir leid. Was immer Sie studiert haben, – viele andere Menschen (ich rede gar nicht von mir) haben sie verstanden, da kann Herr Kagel noch so beschämend lächerlich herumintrigieren.
Und noch ein Grund ist maßgeblich für den Shitstorm: Neue Musik und Komödie geht für die Theatrasten gar nicht. Das ist „E-Musik“! Also ernst – um nicht zu sagen: Todernst muss das sein! SIE haben sich ja offenbar nicht amüsiert. Die meisten anderen unserer Besucher offenbar schon. Auch bissig, böse – sogar beklemmend soll es sein – und erfrischend sich selber auf die Schaufel nehmend.
Im Übrigen gingen meine Emotionen bei weitem nicht so hoch, wie Sie offenbar glauben. Aber nach wie vor ist es ärgerlich und, wie ich meine, nicht ungefährlich, wie Sie sich in der Wortwahl vergriffen haben – und diese Ansicht ist nicht nur meine, sondern wenigstens auch die des Komponisten. Mit anderen weiß ich mich zwar im Consens darüber, habe sie aber nicht dazu befragt.
Mit freundlichem Gruß
Michael Scheidl
P.S. Zum Thema Cineast (Theatrast):Paul Virilio hat einmal geschrieben, (sinngemäß), dass am Anfang die Menschen ins Kino gegangen sind, um gute Filme zu sehen. Dann entstand der Cineast, der Auskenner. Seitdem gibt es viel mehr schlechte Filme. Weil der Cineast geht nicht ins Kino, um einen guten Film zu sehen, sondern um einen Film zu sehen, der im möglichst gut als Hintergrund dienen kann, um sich selbst darzustellen, um zeigen zu können, wie gut er sich auskennt. Der Cineast, schreibt Virilio, ist der Tod des Kinos.
Ich mache kein Theater mehr für die „Theatrasten“, sondern für ein Publikum, das gutes Theater erleben will. Was das aber ist, gutes Theater, darüber haben wir offenbar sehr verschiedene Auffassungen. Deswegen lasse ich mich und auch der Koglmann ber sicher nicht vor den Kadi zitieren.
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von Michaela Preiner | Okt 28, 2007 | Ausstellung | Künstler, Debatte
Sein Name ist verbunden mit dem Aufbau der derzeit größten Sammlung chinesischer Gegenwartskunst und sein Einfluss hat Auswirkungen nicht nur auf die Kunst in China selbst, sondern, und das sei hiermit prognostiziert, auch auf die der westlichen Welt. In seiner Person vereinigen sich, wie am Beginn des Artikels ausgeführt, wirtschaftliche und machtpolitische Kompetenzen, die sich heute nicht nur national, sondern über den gesamten Erdball erstrecken. Seine Biographie weist Eckpunkte auf, die darauf rückschließen lassen, dass sich das alte Spiel von Geld, Macht und Begierde nach Kunst nur graduell verändert hat, in seinem Kern jedoch seit Jahrhunderten noch immer gleich geblieben ist. Uli Sigg, promovierter Jurist, war Wirtschaftsjournalist, Schweizer Botschafter in Peking, hat eine Funktion in der China Development Bank, mischt beim Bau des Olympia-Stadions in Beijing mit und sitzt bzw. saß in Beiräten der Tate Gallery London, des Museum of Modern Art in New York oder, wie jüngst, im internationalen Initiativkreis der documenta 12 in Kassel. (Artmagazineund Lebenslauf von Dr. Sigg). Nun, soweit ist zwar erkennbar, dass Sigg die finanzielle Partitur in herausragender Weise mit seinen sozialen Kompetenzen und Kontakten im Sinne seiner gedeihlichen Kunstsammlungsentwicklung zu vervollständigen weiß. Immerhin ist es ihm zu Beginn der 90er Jahre gelungen, Urs Meile, einen Luzerner Galeristen mit der Kunstszene in China bekannt zu machen und dieser über die Schweiz ein Tor in die westliche Welt zu öffnen. (siehe Artnet.de und Galerie Urs Meile) Die weiteren gelungenen Schachzüge waren die internationale Zur-Schau-Stellung seiner eigenen Sammlung unter dem Titel „Mahjong- chinesische Kunst der Gegenwart“, die bisher im Kunstmuseum Bern, der Hamburger Kunsthalle und im Museum der Moderne am Mönchsberg in Salzburg zu sehen war, sowie das Einklinken in die Schaltzentren der musealen Hochburgen wie eben der Tate Gallery oder des MOMA sowie in den Förderkreis der documenta12. Diese Kontakte sind nicht allein unter dem Blickwinkel des besessenen Kunstliebhabers und –sammlers zu verstehen. Vielmehr wirken sie sich ursächlich auf den Wertzuwachs seiner Sammlung aus, was der ehemalige Wirtschaftsjournalist sehr wohl weiß. Denn Werke mit dem Hinweis „Courtesy Uli Sigg“ in Museen oder auf Großausstellungen wie jener der docuemta 12 multiplizieren ihren anfänglichen Wert mit einem mindestens 2-3stelligen Faktor X. Soweit lässt sich die Aktivität von Sigg noch mit einigen anderen, cleveren und umsichtigen Sammlern vergleichen. Was ihn allerdings tatsächlich zu einer Figur machen könnte, die an der Veränderung der zeitgenössischen Kunst beteiligt ist, sind andere Umstände. Der erste, und wichtigste ist die Tatsache, dass Sigg nicht, wie die meisten seiner kunstbesessenen Sammlerkollegen, Kunst der westlichen Welt angekauft hat, sondern sich in China auf Einkaufstour machte. In einem Land, in welchem die bis dahin im Westen bekannte, kommunistisch gelittene Kunstproduktion mehr de- als goutiert wurde. Es ist aber nicht das Faktum der wirtschaftlichen Belebung der Kunstszene Chinas durch Siggs Geld – dies ist vielmehr als marginal zu betrachten. Viel höher dürfte die Befruchtung chinesischer Künstler mit dem Gedankengut der westlichen Kunsthistorie zu bewerten sein, die schlussendlich in der Einladung von 1001 Chinesen bzw. Chinesinnen auf der documenta12 durch Ai Wei Wei gipfelte.Jenem Künstler, der mit Sigg, wie er selbst sagt, seit Jahren beinahe brüderlich verbunden ist und es geschafft hat, künstlerische, postmoderne Positionen in Windeseile in ein asiatisches Mäntelchen zu stecken. Arbeiten, wie z.B. jene Urne aus der Hang Dynastie, die Wei Wei mit dem Coca-Cola-Schriftzug ergänzte, zeigen, dass es heute möglich ist, ein jahrzehntelanges Defizit – nämlich die Nichtbeachtung der westlichen Kunstentwicklung – innerhalb kurzer Zeit ins Gegenteil – nämlich einer intensiven Auseinandersetzung zu verkehren und es in einem persönlichen Werk nicht nur aufzuholen und zu integrieren, sondern auch zu transformieren. Gewiss, Wei Wei ist, wie auch andere chinesische Künstler aus der Sammlung Sigg, noch immer eher die Ausnahme als die Regel innerhalb von China. Und es gilt auch zu bedenken, dass es sich hier bislang um eine kulturelle Einbahnstraße handelt. Der kulturelle Transfer geschieht ja nur im WO-Bereich, also vom Westen nach dem Osten hin. Was auf den ersten Blick als Manko erscheinen mag, kann bei näherer Betrachtung jedoch als Riesenchance erkannt werden. Dann nämlich, wenn die Künstler der westlichen Hemisphäre, analog zu ihren asiatischen Kollegen, ihre künstlerische Nabelschau verlassen und sich Aufgabenstellungen zuwenden, die durch andere Kulturen, wie unter Umständen der chinesischen, aber nicht nur, bereichert werden. So wie chinesische Künstler sich verschiedene Strömungen des 20. Jahrhunderts genau angesehen und mit eigenen Handschriften schlussendlich verarbeitet haben, so könnten auch westliche Künstler sich mit den kulturellen Wurzeln fremder Kulturen intensiver auseinandersetzen. Dass sich daraus nur ein neuer postmoderner Zweig, quasi eine zweite Postmoderne bloß mit anderen kulturellen Hintergründen ergibt, glaube ich nicht. Dazu sind das kreative Potential und das Reflexionsvermögen der künstlerischen Heerscharen rund um den Globus zu hoch. Was auch immer dabei herauskommt, welcher Begriff für die neue Strömung auch immer gefunden werden wird und wie lange sie auch immer Bestand haben mag -eines steht für mich bereits als apodiktische Aussage fest, wenn der soeben beschriebene Effekt tatsächlich eintritt: dass nämlich Uli Siggs Name den Beginn dieser Entwicklung markiert.
copyright Foto: Sammlung Sigg