„Sabar Ring“ – Afrika trifft Europa

„Sabar Ring“ – Afrika trifft Europa

Afrika trifft Europa. So könnte man das spannende Projekt „Sabar Ring“ zusammenfassen, das sich anlässlich der Festivals Jazzdor in Straßburg präsentierte.

SabarRing (Foto: Nadine de Koenigswarter)

SabarRing (Foto: Nadine de Koenigswarter)

„Sabar“ ist eine Bezeichnung für eine bestimmte Kultur im Senegal, die sich durch gemeinsames Feiern und Musizieren ausdrückt. Die wichtigsten dabei verwendeten Instrumente sind Bongotrommeln und selbstverständlich die Stimmen der Musiker, wenn sie zu ihren Rhythmen singen. „Sabar Ring“ ist die Vereinigung von 7 Sabar Musikern mit der jungen, französischen Jazzformation „Thôt“, mit der sie eine Liaison eingehen, in der beide Seiten zu ihrem gleichen Recht kommen. Was die Afrikaner mit ihrem Rhythmus vorlegen, unterstützen die Franzosen mit ihren melodischen, jazzigen Ideen. Sie tun dies auf authentische und überzeugende Art und Weise, denn weder die afrikanische noch die französische Musik verleugnet sich in dieser Kombination, sondern bleibt, was sie ist. Wahrscheinlich funktioniert die Verschmelzung gerade aus diesem Grund so gut. Alleine die optische, unterschiedliche Präsenz, bunte, teilweise folkloristisch anmutende afrikanischen Gewänder auf der einen Seite, existentialistisches Schwarz auf der anderen macht deutlich, dass es sich hier nicht um Anbiederungen handelt, und auch nicht um Kompromisse. Ivan Ormond, der einzige Weiße unter den Sabartrommlern, ist der „spiritus rector“ und das Verbindungsglied zwischen den beiden Gruppen aus den so verschiedenen Welten. Ihm gelang es „Thôt“, bestehend aus dem Saxophonisten Stéphane Payen, dem Gitarristen Gilles Coronado, dem Bassisten Hubert Dupont und dem Schlagzeuger Christophe Lavergne mit Fodé Diop, Abdou Khadre Diop, Cheikh Thioune Diop, Cheikh N’Diaye Diop, Daouda Diouf, Ibrahima Diassé – den Sabar-Trommlern aus Senegal zusammen zu bringen. Nicht zu vergessen Mane Beye, die einen starken Eindruck davon vermittelt, mit welcher intensiven und ausgelassenen Lebensenergie im Senegal getanzt wird. Die große, schlanke Frau, eingehüllt in ein rosarotes, glitzerndes Paillettenkostüm mit langem Rock, springt in die Luft, wirft ihre Beine angewinkelt nach oben und bewegt sich so grazil aber bestimmt über die Bühne, dass man dabei die sie begleitenden Musiker beinahe vergisst. In einem furiosen Pas de deux mit einem der senegalesischen Trommler wird ganz deutlich, dass die Choreographie, die zuvor bei ihren Soloauftritten eher als Inspiration denn als genaue Schrittabfolge empfunden wurde, sehr wohl einem strikten Regelwerk unterliegt. Das Stampfen der Beine wird exakt vom Trommelrhythmus unterstützt, die Bewegungen der Arme beider laufen völlig synchron. Stéphane Payens Freude an dieser gemeinsamen Arbeit ist nicht nur zu hören – sein Saxophon reagiert am stärksten auf das vorgegebene Grundgerüst der Trommeln – sondern auch zu sehen. Der schwierigste Part liegt wohl bei Christophe Lavergne, der sich mit seinem Schlagzeug jedoch insofern bravourös ins Geschehen einbringt, als er besonders oft seine Becken und sein Hi-Hat zum Einsatz bringt, die schöne klangliche Kontraste zu den Bongos abgeben. Immer wieder kommt es mit den französischen Jazzern zu kleinen, ausgekoppelten Duetten, vor allem, wenn sie von der kleinen Schulterbongo herausgefordert werden zu reagieren. In dem Lied „walo – walo“, das ein bestimmtes Flussgebiet im Senegal bezeichnet, wird das Publikum zum stimmlichen Gegenpart der Bühne. Es reagiert auf die senegalesischen Zurufe lebensfroh, obwohl kein Mensch versteht, was er oder sie dem Vorsänger nachsprechen. Die diffizilen, auswendig gespielten Rhythmen der Trommler beeindrucken genauso wie die exakt notierten Solostimmen der Jazzer. Sabar Ring macht eines mehr als deutlich – wenn zwei Kulturen aufeinandertreffen, dann ist der Respekt vor dem anderen das beste Mittel zu einem gemeinsamen Ziel zu kommen.

Hans Lüdemann „Rooms“ beim Jazzdor

Hans Lüdemann „Rooms“ beim Jazzdor

Der Deutsche Hans Lüdemann gab mit seinem Trio „Rooms“ anläßlich des Festivals Jazzdor sein Debut in Straßburg.

Hans Lüdemann (Foto Jazzdor)

Hans Lüdemann (Foto Jazzdor)

Das Programm stellte auch eine französische Erstaufführung in der Besetzung Hans Lüdemann am Piano, Sebastien Boisseau am Bass und Dejan Terzic dar. Mit „Rooms“ wählten die drei einen Namen, den man als Programm verstehen kann. In dieser Formation eröffnen die Musiker nämlich Räume, die aufgrund des besonderen, erweiterten Instrumentariums in neue Klangwelten entführt.

Lüdemann selbst bedient dabei – parallel zum Klavier – ein akustisches Piano, das er elektronisch verfremdet und an einigen Stellen mit Hall ausstattet. Terzic wiederum setzt ein kleines Xylophon, sowie kleine Glöckchen als Percussionerweiterung ein. Diese kleinen Eingriffe haben große Wirkung. Wenn ein Schlagzeuger plötzlich zarte Pianostellen im kleinen Xylophon mit begleitet und nebenbei aber seinen base nicht vergisst, ist das ein besonderes Erlebnis. Der Drummer zeichnet sich durch eine außerordentlich einfühlsame Spielweise aus, die sich mehr in der kleinteiligen, exakten Aufnahme und Begleitung von Lüdemann, denn in der simplen Rhythmusvorgabe auszeichnet.

Schon das erste Stück mit dem Titel „Eagle“ führte vor, in welche Regionen und Räume das Trio zu wandern gedachte. Nach einer kurzen Einführung durch den Bass erarbeitete Lüdemann mit rasanten Klavierläufen ein musikalisches Feuerwerk, das innerhalb der Komposition mehrfach zu lyrischen Passagen abebbte um bald darauf wieder aufzuflammen. Mit „Du“, einer ganz zarten Liebeserklärung, in denen die Töne fast gehaucht erklangen, führte das Ensemble ein Kontrastprogramm vor. Gerade der Wechsel zwischen virtuoser Rasanz und lieblicher Verlorenheit zeichnete das Konzert durchgehend aus, dessen Stückauswahl sich sowohl aus Kompositionen der Bandmitglieder als auch aus Rückgriffen wie z.B. dem Stück „Über den Selbstmord“ von Hanns Eisler zusammensetze, das er in den 30er Jahren zu einem Text von Bert Brecht schrieb. Lüdemanns Mischung zwischen seinem großen Konzertflügel und dem kleinen elektronischen Klavier führt dort zu besonderen Erlebnissen, wo er das elektronische Instrument leicht verstimmt kurz nach dem reinen Klavierton anschlug. Alte, verstimmte Klaviere, wie sie zu tausenden unbenutzt in verschiedenen Wohnungen, Häusern und Bars herumstehen, sind mit diesen unreinen Klängen ausgestattet. Zu hören bekommt man sie meist, wenn jemand, der gerne Klavier spielt, eines dieser Instrumente öffnet, um dann nach wenigen Tastenanschlägen den Deckel wieder behutsam zu schließen. So vermischte sich Gestern und Heute in einem zarten Tastenduo, das einen weiteren gedanklichen Raum öffnete.

Hier zeigte sich, dass die Musik dieser Formation, in der Sebastien Boisseau nicht nur eine verlässliche, sondern extrem saubere und sensible Bassstimme bot, mehr ist als nur ein abwechslungsreiches, musikalisches Geplänkel. Sie lädt zu Gedankenreisen ein, die in ganz persönliche Räume führen, die tief in einem selbst verborgen, sich beim Hören öffnen. Wie schon zu Beginn des Abends setzte „Rooms“ zwei gegensätzliche Stücke an den Schluss. Mit „Balafon – blanc et noir“ erwies Lüdemann dem von der Elfenbeinküste stammenden Aly Keita seine Referenz. Keita, ein Virtuose auf seinem Balafon, spielte mit Lüdemann, den er auf dessen Afrikareise 1999 erstmals kennenlernte, mehrfach zusammen. Die Virtuosität dieses Stückes kulminierte in allen Instrumenten, vor allem aber in den fulminanten Staccatipassagen Lüdemanns, die von ihm so schnell ausgeführt wurden, dass das Auge die einzelnen Bewegungen seiner Hand nicht mehr wahrnehmen konnten. Mit einem wahren Ohrenschmeichler, der das gesamte klangliche Spektrum von „Rooms“ noch einmal wunderbar ausbreitete, wurde das Publikum verabschiedet.

Solo für Kontrabass – HÉLÈNE LABARRIÈRE

Solo für Kontrabass – HÉLÈNE LABARRIÈRE

Hélène Labarrière (Foto: Christoph Huber)

Hélène Labarrière (Foto: Christoph Huber)

Ein Kontrabass ist für gewöhnlich ein Begleitinstrument – sowohl im großen Orchester, als auch im Jazzgeschehen. Gut, hier und dort gibt es auch Möglichkeiten zu solistischen Einlagen, diese jedoch auf ein ganzes Konzert auszudehnen erfordert Mut und Einfallsreichtum. Die Gelegenheit, eine Soloperformance zu hören ist selten, in Straßburg im Rahmen des Festivals Jazzdor jedoch war sie gegeben.

HÉLÈNE LABARRIÈRE trat im Ausstellungssaal der Stadtbibliothek mit einem Soloprogramm auf. In den acht Stücken kam nur einmal der Bogen zum Einsatz, bei dem der volle Klang des Instrumentes hörbar wurde. Ansonsten zupfte und beklopfte Labarrière ihren Bass und entlockte ihm schräge Obertonklänge aber auch zarte, lyrische Impressionen, die jedoch nichts an Kraft fehlen ließen. Ihre musikalischen Improvisationen kennen keine zeitlichen Grenzen und lassen sich nicht an ein bestimmtes Genre festmachen. Sie verarbeitet Songs von bekannten französischen Liedermachern wie Michel Berger oder Léo Ferré genauso wie eine alte Weise aus dem 16. Jahrhundert, die über Liebe und Eifersucht erzählt. Mit diesen Stücken unterscheidet sie sich von vielen ihrer Kollegen, die sich eher veranlasst sehen, die Gewässer des Jazzrepertoires abzufischen. Dabei ist sie mit einem großen Spektrum an Spielmöglichkeiten für dieses sperrige Instrumentes ausgestattet. Ein schrummender Kontrabasssound oder eine gleichmütig, ruhig dahinfließende Begleitung, das ist nicht ihr Ziel. Die lyrischen Gesangspassagen, wiedergegeben in den gezupften, leisen Stellen, zeigen, mit wie viel Herz und Gefühl Labarriere ihrer Arbeit nachgeht. Oft kippen diese Liedzitate aber in Improvisationen, die voll von Kraft strotzen. So ist es ihr mit ihrer Virtuosität möglich, Bass- und Singstimme zugleich wiederzugeben und Ostinato-Passagen von einer Sekunde auf die andere zu durchbrechen, um in einem gänzlich neuen Rhythmus fortzufahren. Dies bedarf nicht nur einer jahrelangen, ausgereiften Technik, sondern auch einer besonders vielfältig ausgeprägten Musikalität, die Labarriere besitzt. Den stärksten Eindruck hinterließ sie aber mit der Eigenkomposition „Mon pays“ in welchem sie den Tod von zwei jungen Burschen musikalisch verarbeitete. Diese fanden 2003 in einer elektrischen Hochspannung den grausamen Tod. Ihr Bogen sauste auf die Saiten nieder, dass die Funken akustisch sprühten. Wenn man den Hintergrund zu diesem Stück kennt, empfindet man dieses Feuerwerk über mehrere Minuten, das den jungen Männern den Tod brachte, nicht als interessant und bravourös gespielt, sondern vielmehr als grauenerregend. Eine bessere musikalische Umsetzung dieses tragischen Ereignisses ist kaum vorstellbar. Labarriere zeigte mit diesem Werk, wie sehr sie den Klangreichtum ihres Instrumentes kennt und ihn mit Klängen aus unserer alltäglichen, akustischen Umgebung plakativ gleichsetzen kann. Die Zugabe, eine Improvisation über ein einfaches, kleines Lied, harmonisch und ruhig, in den freien Passagen dennoch geordnet und kalkulierbar, war gut gewählt, denn sie konnte die aufgewühlten Gemüter versöhnlich nach Hause entlassen.

Ein Hörerlebnis der anderen Art.