Medardo Rosso und seine Nachfolger

Medardo Rosso und seine Nachfolger

Medardo Rosso ist einer jener Künstler, der große Auswirkungen auf die Kunst des 20. Jahrhunderts hatte, jedoch von der kunstinteressierten Allgemeinheit bis heute meist unter dem Radar läuft. Geboren 1858 in Turin, gestorben 1928 in Mailand, war er nicht nur ein Individualist, was den Umgang mit Materialien betraf. Auch seine politische Meinung als „europäischer Anarchist“, dem Nationalstaaten ein Gräuel waren, war nicht gerade maingestreamt.

Nichtsdestotrotz oder besser gesagt, gerade deshalb, ist sein Werk außerordentlich und kann, was seine Ausstrahlung betrifft, nicht hoch genug eingeschätzt werden. Im mumok sind insgesamt ca. 50 Plastiken, sowie ca. 250 Fotografien, Collagen und Zeichnungen in einer umfassenden Werkschau von ihm zu sehen. Im Erdgeschoß darf man zuallererst aber in einen Teil seiner Fotografien Einblick nehmen, die seine Arbeiten stets begleiteten. Dabei fällt auf, dass viele von ihnen beschnitten sind, kein Normmaß aufweisen und die Plastiken von Rosso nicht nur aus unterschiedlichen Blickwinkeln zeigen. Es ist vor allem die unterschiedliche Beleuchtung, welche die einzelnen Arbeiten im wahrsten Sinn des Wortes in verschiedenem Licht zeigen. Sie erhalten dadurch immer wieder neue Wahrnehmungsaspekte, ein Umstand, den Rosso beabsichtigte und der ihn offenbar auch faszinierte. Bei der Betrachtung der Vitrinen, in welchen die Fotos lichtgeschützt zu sehen sind, ist eine gewisse Obsession unverkennbar. Dabei sollte jedoch nicht vergessen werden, dass die Fotografie am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch etwas war, was nicht jedem und jeder zugängig war: Zu teuer war eine Kamera, zu kompliziert das Entwicklungsverfahren, das man selbst durchführen musste, unerschwinglich die Kosten für die Materialien.

Einige Motive wurden vielfach von Rosso fotografiert, darunter ‚Ruffiana‘ oder auch das feine Jungen-Gesichtchen ‚Ecce puer‘. Letzteres evoziert bei vielen Betrachtenden ad hoc Beschützerinstinkte, ein Indiz, dass die Arbeit mit einer hohen, dennoch aber subtilen emotionalen Ausdruckskraft ausgestattet ist. Bei der vollplastischen Ausführung der ‚Ruffiana‘, zu Deutsch ‚Kupplerin‘ werden automatisch Bezüge zu den Charakterköpfen von Franz Xaver Messerschmidt virulent. Der geöffnete Mund, bei Portraits lange Zeit ein absolutes No-go, sowie die Hervorhebung eines bestimmten affekthaften Zustandes überlappen sich hier mit Messerschmidts Ideen. Tatsächlich beeindrucken alle Werke von Rosso auch auf den Fotos durch ihre Lebendigkeit, die man wenige Schritte weiter, im zweiten Teil des großen Saales, direkt am plastischen Objekt betrachten kann.

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Sailko, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons

In diesem, von einem durchsichtigen Vorhang abgeteilten Raum, wurden seine Plastiken auf Sockel gestellt, viele von ihnen ohne Glasschutz. Dabei fällt auf, dass die meisten von ihnen nicht vollplastisch ausgearbeitet wurden. Ihre Rückseite ist unbehandelt, Armierungen bleiben sichtbar und der Werkstoff, aus dem die Plastiken geschaffen wurden, tritt hier besonders in den Vordergrund.

Ob Gips oder Wachs, beide Materialien waren und sind bis heute für viele Kunstschaffende noch Zwischenstadien auf dem Weg zu fertigen Plastiken. Für Medardo Rosso jedoch waren sie Hauptträger seiner Ideen. Das Unfertige, aber auch der Gattungsbegriff des Bozzettos, des Entwurfes, können benannt werden, wenn es um die Charakterisierung seiner Arbeiten geht. Und tatsächlich vermitteln diese immer das Gefühl, aus dem Moment heraus entstanden zu sein, mit der Absicht, dieses ständig sich wandelnde Momenthafte dennoch festzuhalten.

Dazu kommt, dass Wachs, mit dem Rosso arbeitete, ein Material ist, das eine beinahe fleischliche Qualität aufweist. Es lässt sich nicht nur leicht formen, sondern alle Dellen, Vertiefungen und Erhöhungen lassen sich sinnlich nachspüren, ohne dass man die Plastiken berühren muss. Nichts, was der Künstler schuf, hatte den Anspruch von Monumentalität oder Ewigkeit, wenngleich das, was in Wien zu sehen ist, dennoch einen Ewigkeitsanspruch in der westlichen Kunstgeschichte erheben darf.

Medardo Rosso entschied sich bewusst, sogenannte „arme“ Materialien zu verwenden. Er wollte einen Gegenpol zu jenen Werken schaffen, die in Bronze gegossen, letztlich erstarren und nur mit Mühe für lebendig gehalten werden können.

Besonders bemerkenswert sind eine Reihe kleiner Bleistiftskizzen des Künstlers im 2. Stockwerk, in welchem die Ausstellung ihre Fortsetzung findet. Zum Teil an der Kippe zur Abstraktion, zum Teil aber gut lesbar, sind sie wahre Schätze des rasch Hingeworfenen, augenblicklich Festgehaltenen. Die hohe künstlerische Qualität rührt nicht allein vom flüchtigen Moment, in welchem sie entstanden, sondern auch aus der Sicherheit der Strichführung, der Beherrschung von Licht und Dunkelwiedergabe und der Konzentrierung auf das jeweilige Motiv. Ob elegante Damen, Männer im Park oder ein Pferd, eingespannt in ein Fuhrwerk – immer zeichnet Rosso strichsicher in kleinem Format, so als ob es nichts Wichtigeres gäbe, als dem Augenblick einen visuellen Ausschnitt zu entreißen, um diesen festzuhalten.

Neben diesem Zeichenkabinett ergänzen 50 zeitgenössische Arbeiten und solche aus dem vorigen Jahrhundert die Schau. Dabei sind große Namen wie Francis Bacon, Louise Bourgeois oder Edgar Degas ebenso vertreten, wie solche, die meist nur Kunsthistorikerinnen und Kunsthistorikern bekannt sind. Die Auswahl wurde angesichts der verwendeten Materialien getroffen – Wachs ist häufig ein Thema. Aber auch die Momentaufnahme und der Bezug zu einer starken Körperlichkeit sind bei vielen Werken zu erkennen. Obwohl die Auswahl großzügig gestaltet und auch gut in Szene gesetzt wurde, sind es doch die Arbeiten von Medardo Rosso selbst, die einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen.

Noch zu sehen bis 23. Februar 2025.
Ein ausführlicher Katalog mit vielen Abbildungen begleitet die Ausstellung, die vom 29. März bis 10. August 2025 ins Kunstmuseum Basel weiterwandert.

Musizieren sollte für alle Menschen zugängig sein

Musizieren sollte für alle Menschen zugängig sein

In Österreich ist es schier undenkbar, ohne Musik aufzuwachsen. Damit ist nicht gemeint, ein Instrument zu erlernen, sondern schlichtweg Musik auch passiv zu konsumieren. Ob aus dem Radio, oder gestreamt, ob als Zuhörende bei einem Konzert oder letztlich selbst Musizierende – Musik gehört zu Österreich wie sonst kaum ein anderes Kulturgut.

Dass viele Menschen in ihrer Freizeit auch aktiv musizieren, ist nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass Österreich ein gutes Netz an Musikschulen aufzuweisen hat. Für die Allerkleinsten gibt es Kurse, in welchen musikalische Früherziehung unterrichtet wird. Ab dem Schulalter stehen dann alle Instrumente zur Auswahl, die man lernen möchte.

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Anna-Maria Javornik, Stefan Fiedler (Foto: Klavierhaus Fiedler)


Wo es aber immer noch eklatanten Nachholbedarf gibt, ist ein Angebot für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen. Das möchte Stephan Fiedler ändern. Der Inhaber des sage und schreibe 176 Jahre „jungen“ Klavierhauses Fiedler in Graz hat es sich zum Ziel gesetzt, die Musikausbildung auch für all jene zu öffnen, denen dies bis jetzt verwehrt war. Von Blauäugigkeit kann man bei dem umtriebigen Geschäftsmann nicht sprechen, denn seine Aktivitäten gehen in eine Richtung, die hoffen lässt, dass sich im System des Musikunterrichts in Österreich etwas ändert. Auf die Idee kam er durch seine Frau Fiona Fiedler, die seit 2019 ein Nationalratsmandat innehat. Einer ihrer Schwerpunkte ist das Thema Inklusion. Ihre Bemühungen, Menschen mit Behinderungen in die Gesellschaft wesentlich stärker zu integrieren, hatte wesentlichen Einfluss auf das, was Stephan Fiedler vehement verfolgt.

Einen langen Atem zu haben, scheint die Fiedler-Dynastie im Blut zu haben. Nicht nur, dass der Betrieb einer der ältesten in Graz ist, der über 6 Generationen hindurch am selben Ort Klaviere verkauft. Seit dem Jahr 2006 unterstützt der jetzige Betriebsinhaber auch karitative Projekte. Mit dem Geld, das er bei Konzerten mit Jugendlichen seiner Reihe ‚Piano forte – Jugend am Klavier‘ einspielte, unterstützte er bis 2022 die Kinderonkologie in Graz, um dort musiktherapeutische Maßnahmen einzusetzen. Mit der Verankerung in einem Gesetz, das nun österreichweit diese Therapieform an den Krankenhäusern verpflichtend implementiert, hätte sich Stephan Fiedler zufriedengeben können. Jedoch weit gefehlt. Seit diesem Jahr nun erhielt die Konzertreihe einen veränderten Namen. ‚Piano forte – Inklusiv‘ macht deutlich, dass Musizierende mit und ohne Behinderungen das jeweilige Konzert gemeinsam bestreiten.

Eröffnet wurde die neue Reihe im Frühling im Spiegelfoyer der Oper Graz, drei weitere Konzerte fanden im Salon des Klavierhauses Fiedler statt. Zum Abschlusskonzert lud Stephan Fiedler in die Firma Casarista, nur wenige Gehminuten vom Klaviergeschäft entfernt. Der großzügige Saal, ausgestattet mit einem Bösendorfer-Konzertflügel, beeindruckte nicht nur das Publikum, sondern ließ auch den Puls der jungen Musizierenden höherschlagen.

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Sofia Maholetti, Laetitia Chiara Taurer, Maja Kürbisch & Idil Naz Alici (Foto: Klavierhaus Fiedler)


Geladen und gekommen waren nicht nur sie mit ihren Lehrpersonen, Eltern und Freunden, sondern auch wichtige Führungspersönlichkeiten des Johann-Josef-Fux-Konservatoriums sowie der Rektor der Musik-UNI-Graz. Mit dabei waren ebenso der ehemalige Rektor der Med.Uni Graz, sowie Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft. Ohne das Verständnis und ein offenes Ohr für das Anliegen dieser Personen, Musik inklusiv zu unterrichten, würde aus der Idee der Familie Fiedler kein größeres Pflänzchen wachsen können. Mit dem Bewusstsein für die Thematik und dem Willen, etwas zu ändern, und zwar genau dort, wo Musik unterrichtet wird, scheint doch einiges in Bewegung zu geraten. Und so war beim Abschlusskonzert zu erfahren, dass nicht nur an den Musikschulen vermehrt daran gearbeitet wird, Lehrende auszubilden, die inklusiv unterrichten können. Auch der Studienplan an der Universität für Musik und darstellende Kunst, der komplett reformiert wird, sollte künftig eine Möglichkeit bieten, auf diesem Gebiet tätig zu werden.

Beim Jahres-Abschlusskonzert wurde vorgelebt, was Inklusion auf der Bühne bedeutet, musizierten doch Kinder und Jugendliche mit Behinderungen mit solchen, die keine Behinderungen haben, auf Augenhöhe und das sichtbar mit einer gewaltigen Portion Spaß. Stephan Fiedlers lockere und authentische Art durch den Abend zu führen, minderte sichtlich so manches Lampenfieber der jungen Künstlerinnen und Künstler. Von klassischem Repertoire hin zu Pop-Songs, von choristischen Einlagen zu Perkussion-unterstützten Hits spannte sich der breite Bogen der musikalischen Darbietungen.

Mit der smarten Idee, bei diesem Abschlusskonzert sämtliche Zugaben, die bei den vorangegangenen Konzerten erklangen, noch einmal aufzuführen, erhielt der Abend ein ganz besonderes Flair. Erfrischend waren die Auftritte, bei welchen sich im Rotationsverfahren die jungen Pianistinnen und Pianisten beim Spielen eines einzigen Stückes abwechselten. Genauso sympathisch erklang aber auch die Aufführung von „Feliz Navidad“, bei welcher Lehrende, Schülerinnen und Schüler, aber auch Stephan Fiedler selbst dem Publikum musikalische Weihnachtsgrüße übermittelte.

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Lukas Bergler, Dorothee Helene Breidler (Foto: Klavierhaus Fiedler)

Ungläubiges Staunen rief am Schluss des Abends eine ungewöhnliche, handwerkliche Tätigkeit hervor, begann Stephan Fiedler doch vor versammeltem Publikum eine Klaviertaste aus einem Piano auszubauen. Diese stolz hochhaltend, erläuterte er die allerneueste Idee: Mit dem Kauf einer Klaviertaste um 500 Euro unterstützt man einen Wettbewerb, der steirische Musikschulen anspornen soll, ihr inklusives Konzept bis Mitte nächsten Jahres einzureichen. Eine Fachjury wird den Sieger prämieren und die Firma Kawai gemeinsam mit dem Haus Fiedler jene Summer verdoppeln, die durch den Klaviertastenverkauf zustande gekommen sein wird. Jene Summe wird in einen Flügel investiert, der schließlich seinen Weg in die prämierte Schule antreten wird.

Wem diese Idee gefällt, kann sie selbstverständlich monetär unterstützen. Hier finden Sie alle Informationen dazu.

„Inklusion wird erst dann erreicht sein, wenn man darüber nicht mehr sprechen muss“, so ein Abschluss-Statement von Fiona Fiedler. Dass man noch lange davon entfernt ist, ist wohl allen Menschen klar, die mit dem Thema konfrontiert sind. Aber auch, dass es dringend Initiativen wie ‚Piano forte – Inklusiv‘ bedarf, um den Weg zur Inklusion tatsächlich auch ebnen zu können.

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Lieselotte Sorko, Arthur Emil Noé (Fotos: Klavierhaus Fiedler9


Ein großes „BRAVI“ nicht nur an die Familie Fiedler, sondern vor allem auch an alle Beteiligten auf der Bühne:

Eldar Gazizullin, Lorenz Tatschl, Lia-Sophie Ascher, Vincent Fiedler, Lieselotte Sorko, Arthur Emil Noé, Sofia Maholetti, Philip Pscheidt, Laetitia Chiara Taurer, Peter Feyertag, Theodor David, Lukas Bergler, Maja Kürbisch, Nora Cvitkovic, Leo Tang, Nikolaus Haslmayer, Idil Naz Alici, Yichen Wei, Dorothee Breidler, Valentin Sho Kern, Julius Legat, Chaiwat Charoensak, Anna Maria Javornik, Miriam Kartusch, Robert Pöch;

Unterrichtet wurden und werden die Kinder und Jugendlichen von:
Anfisa Bobylova, Aliki Jianniou, Andrea Waldeck, Barbara Stranegger, Thaïs-Bernarda Bauer, Anna Ulaieva-Stöhr, Dong Yeon Stelzmüller, Irina Vaterl, Kristin Hütter, Fiona Fortin, Christoph Bratl, Katharina-Larissa Paech, Aima Labra-Makk, Philipp Scheucher, Anke Schittenhelm, Patrik Thurner, Gernot Rupp, Burghardt Frauenlob, Denys Zhdanov, Christian Tarla, Irina Maholetti;

Da ‚Piano Forte – Inklusiv‘ eine private Initiative ist, sollen an dieser Stelle auch all jene Institutionen vor den Vorhang geholt werden, welche für das Gelingen des Abends mitverantwortlich waren:
MS Leoben, Johann-Joseph-Fux Konservatorium Graz, Universität für Musik und darstellende Kunst Graz, Universität für Musik und darstellende Kunst Oberschützen, MS Weiz, MS Gleisdorf, MS Mürzzuschlag.

Infos für künftige Aktivitäten im Rahmen von ‚Piano forte – Inklusiv‘ finden sich auf der Website des Klavierhauses Fiedler & Sohn.

Ein Abend voller Glanz und Talent

Ein Abend voller Glanz und Talent

Ende November fand im Palais Coburg ein besonderer Abend statt, als der Verein JUNGEBÜHNE zu einem Fundraising-Dinner einlud. Der Verein ermöglicht Kindern und Jugendlichen schauspielerisch tätig und selbst ein Teil von großen Inszenierungen zu werden. Einige der Kinder empfingen die Gäste auf der großen Freitreppe in bezaubernden Elfenkostümen und begleiteten diese in den ersten Stock. Nach der offiziellen Begrüßung erhielten die Gäste dort einen ersten Einblick in die Arbeit des Vereins.

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Ida Pammer-Bruckmüller und Kathia Deninger (Foto: JUNGEBÜHNE)

Kathia Deninger, die künstlerische Leiterin, und die kaufmännische Geschäftsführerin Ida Pammer berichteten über den Erfolg der heurigen Inszenierung „Der Diener zweier Herren“ von Carlo Goldoni. 29 Aufführungen, der Großteil davon im Muth https://muth.at/, weitere in Wiener Neustadt und Mattersburg, wurden von insgesamt 5.100 Besucherinnen und Besuchern, davon 3200 Kindern und Jugendlichen besucht. Ein enormes Aufkommen, bedenkt man, dass auf der Bühne nur Jugendliche und Kinder standen. Beflügelt von diesem Ergebnis wurden auch die Zukunftspläne vorgestellt, darunter geplante Auftritte in den Bezirken oder die langfristige Vision eines Gastspiels in Rom. Der Abend richtete sich nicht nur an Sponsoren und Eltern, sondern vor allem an die talentierten Kinder und Jugendlichen, die das Publikum mit einem abwechslungsreichen Programm in Kostümen unterhielten. Die Szenen, unter anderem mit Texten von William Shakespeare, waren trefflichst gewählt und wurden mit großem Engagement und erstaunlicher Professionalität aufgeführt. „Es ist unglaublich, welche Freude alle hatten, an diesem besonderen Abend dabei zu sein“, berichtete Kathia Deninger voller Stolz. Tatsächlich war das Setting ein komplett anderes als auf einer Bühne, agierte das quirlige Ensemble doch direkt umgeben vom Publikum und bezog dieses teilweise auch mit ein.

Theater als Bildungsauftrag

Der Verein, der sowohl in Wien als auch in Niederösterreich tätig ist, scheut sich nicht, Kinder und Jugendliche mit großen Werken der Weltliteratur zu konfrontieren und tief in das jeweilige Sprachdiktum einzutauchen. Der Neurowissenschaftler Manfred Spitzer hebt in seinen Büchern und Vorträgen immer wieder die Bedeutung des Theaterspielens als Schulfach hervor. Seiner Meinung nach fördert Theaterspielen nicht nur die Flexibilität des Gehirns, sondern stärkt auch das Selbstwertgefühl und die Empathiefähigkeit. Diese Ansätze spiegeln sich in der Arbeit des Vereins deutlich wider.

Die Kulturträger von morgen

Die Jugendlichen von heute sind nicht nur die Kulturträger, sondern auch das Publikum von morgen. Die Erfahrungen, die sie auf der Bühne sammeln, legen den Grundstein für eine anhaltende Begeisterung für Theater und Kultur. Musik, Tanz, Improvisation sowie schauspielerische Auftritte – all das wird in sommerlichen Workshops und wöchentlichen Unterrichtsstunden in kleinen Gruppen vermittelt. Dabei geht es nicht nur darum, Schauspieltechniken zu erlernen, sondern auch um die Förderung der Kreativität und die persönliche Weiterentwicklung. Die Kinder und Jugendlichen werden ermutigt, ihre eigenen Ideen einzubringen und sich aktiv am kreativen Prozess zu beteiligen. Dadurch entsteht ein lebendiges und abwechslungsreiches Theatererlebnis, das sowohl die Darstellerinnen und Darsteller als auch das Publikum begeistert.

Ort der Begegnung und des Austauschs

Wien verdankt Institutionen wie der JUNGENBÜHNE eine kulturelle Vielfalt, die von Generation zu Generation weitergegeben wird und die Zukunft der Stadt als kulturelles Zentrum Europas sichert. Besonders hervorzuheben ist die Rolle des Vereins als Ort der Begegnung und des Austauschs. Hier kommen junge Menschen aus unterschiedlichen sozialen und kulturellen Hintergründen zusammen, um gemeinsam Theater zu machen und voneinander zu lernen. Diese Zusammenarbeit fördert nicht nur das gegenseitige Verständnis, sondern trägt auch zur sozialen Integration bei.

Neue Talente entdecken

Theaterprojekte wie die der JUNGEBÜHNE schaffen einen Raum, in dem junge Menschen ihre Talente entdecken und weiterentwickeln können. Es ist ein Ort, an dem sie ermutigt werden, ihre Komfortzone zu verlassen und Neues auszuprobieren. Ein weiterer wichtiger Aspekt der Vereinsarbeit ist die enge Zusammenarbeit mit Schulen und anderen Bildungseinrichtungen. Durch gemeinsame Projekte wird versucht, das Interesse für Theater und Kunst schon früh zu wecken und nachhaltig zu fördern. Diese Kooperationen ermöglichen es, auch Kinder und Jugendliche zu erreichen, die vielleicht sonst keinen Zugang zu einem derartigen kulturellen Angebot hätten.

Der Abend im Palais Coburg machte deutlich, dass Theater weit mehr ist als nur Unterhaltung – es ist eine wichtige Bildungs- und Entwicklungschance, die jungen Menschen hilft, sich selbst und die Welt um sie herum besser zu verstehen.

Weitere Infos: https://jungebuehne.art

Rauschzustände, deren Ursache und Auswirkung

Rauschzustände, deren Ursache und Auswirkung

Ob im TV oder im Theater – Edutainment setzt sich als Format immer stärker durch. Die Wortverbindung von Entertainment und Education macht deutlich, dass das Publikum einerseits unterhalten werden soll, andererseits aber auch Informationen serviert bekommt, die für eine Weiterbildung sorgen.

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Weil es knallt (Foto: Bettina Frenzel)

Die Schauspielerinnen und Schauspieler arbeiten divers und inklusiv und präsentieren „geopolitische Geschichten, berührende Texte und jede Menge Halligalli für Auge und Herz“, wie es der Website zu entnehmen ist. Auf der Bühne agierten Claudia Carus, Benjamin Kornfeld und Christiani Wetter. Bernhard Hammer steuerte die Live-Musik bei, wobei er sicher zwischen diversen aktuellen Musikstilen kurvte.

Das Thema der Inszenierung war Sucht in ihren vielen Facetten. Dabei ließen die Agierenden zum Teil tief in ihre eigenen Suchterfahrungen blicken – obwohl – Theater ist Theater und was dabei nun tatsächlich selbst erfahren wurde oder ‚nur‘ gespielt, ließ sich nicht wirklich klären. Die Stückentwicklung leuchtete in viele dunkle, aber auch abseitig gelegene Ecken, wie jene des zoologischen Bereichs. Hier waren es kleine Erzählungen, die das Thema beleuchteten. Die eine oder andere Info kann man ohne Weiteres beim nächsten Smalltalk brauchen, wie jene von den Delfinen, die bei der Auslebung ihres Sexualtriebes nicht gerade wählerisch sind und Kugelfische als Ping-Pong-Bälle benutzen. Das Leben im Wasser wurde gleich zu Beginn veranschaulicht, um einen Zustand zu beschreiben, der sich schwerelos anfühlt und in dem man sich geborgen fühlt. So leicht und geborgen wie in jenem Zustand, den man Rausch nennt.

Alkoholmissbrauch ist nur eine Art, sich kurzfristig aus dem Leben zu beamen. Vom Kaufrausch kann man ebenso einen Kater davontragen wie nach exzessiven Partnertauschorgien. Vieles, was angesprochen wurde, hörte und fühlte sich nach Selbsterfahrungen des Ensembles an und berührte gerade dadurch. Sollte dies nicht so gewesen sein, dann war es zumindest ausgezeichnet gemacht.

Dass es unglaublich schwer ist, nach einer gewissen Entwöhnung nicht wieder in alte Missbrauchsmuster zu fallen und warum man überhaupt dazu kommt, süchtig zu werden – diese Szenen gingen tatsächlich unter die Haut. Ein Umstand, der gerade bei diesem Thema wichtig ist, werden doch Menschen mit Suchtverhalten gerne rasch abgestempelt, ohne dass man genau hinsieht, was sie so bedrückt. Der Leistungsdruck, dem viele junge Menschen ausgesetzt sind, das Gefühl alleine zu sein, die Angst zu versagen oder der Verlust von lieben Menschen – all das sind Gründe, sich aus der Realität zu beamen und letztlich im Suchtverhalten hängen zu bleiben, durfte man erfahren.

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Weil es knallt (Foto: Bettina Frenzel)

Nichts davon jedoch wurde mit einem erhobenen Zeigefinger kommuniziert. Die flotte Regie, durch die das Ensemble ständig in Bewegung gehalten wurde, aber auch das gekonnte „Sich-selbst-nicht-ernst-nehmen“ trugen dazu bei, dass die bitteren Pillen, die verabreicht wurden, keinen weiteren Nachgeschmack entwickelten. Hautenge Bodysuits, bedruckt mit bunten Mustern, wie man sie aus psychedelischen Trip-Erzählungen und Plattencovern der 60-er-Jahre kennt, visualisierten so manchen LSD-Trip, oder zumindest, wie man sich einen solchen vorstellt.

Die Mischung zwischen Witz und Ernst, lockerem Plauderton und tiefgehender Selbsterkenntnis war es, welche „Weil es knallt“ des Theaterkollektivs ‚Fiese Matenten‘ besonders kurzweilig erscheinen ließ.

Farben für die Menschlichkeit

Farben für die Menschlichkeit

Die Initiative des Art Collectors Club des Wiener Roten Kreuzes zeigt, dass Kunst und humanitäres Engagement auf einzigartige Weise verbunden werden können. Seit 1995 bringt der Club renommierte Künstlerinnen und Künstler mit der Mission des Roten Kreuzes zusammen: durch Kunst Menschen in Not zu helfen. Jährlich entsteht eine limitierte Druckgrafik-Edition, die nicht nur künstlerisch wertvoll, sondern auch ein wichtiges Instrument der Katastrophenhilfe ist.

Heimo Zobernig und die Kunst des Helfens

Der international bekannte Künstler Heimo Zobernig, dessen Werke in den bedeutendsten Museen der Welt vertreten sind, hat eine Serie von Unikatdruckgrafiken gestaltet, die Anfang Dezember in der Galerie Meyer*Kainer präsentiert wird. „Ich bin gerne dabei, denn das, was das Rote Kreuz macht, ist eine der wichtigsten Sachen. Verbindet man es mit dem, was der Inhalt dieses Druckes ist, wird deutlich, wie oft es Einsätze in der Natur, also am Berg, in der Wüste oder am Wasser gibt“, erklärt der Künstler.

Die Drucke, entstanden in Zusammenarbeit mit der Druckwerkstatt Zein Editions, zeigen ein quadratisches Motiv voller lebendiger Farben und subtiler Botschaften. Auffallend ist das eingebettete Wortspiel „PAIN“, das wie ein stiller Klang durch die Bilder schwingt. Gleichzeitig sind die Spuren des Entstehungsprozesses – Druckpasser und Handabdrücke – sichtbar geblieben, eine bewusste Entscheidung des Künstlers. Für Zobernig ist es wesentlich, dass die Betrachtenden die Kunst nicht nur sehen, sondern auch den Prozess der Schöpfung nachfühlen können.

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Foto: (WRK / Markus Hechenberger)

Diese direkte Verbindung zwischen Schöpfungsprozess und Betrachtenden ist typisch für Zobernigs Arbeit. Wie sehr seine Kunst mit der Natur verbunden ist, erklärt er folgendermaßen: „Wesentlich für mich ist, dass die Malerei, die dem Druck zugrunde liegt, etwas probiert, das uns die Natur zeigt. Es ist nicht nach der Natur gemalt, sondern etwas, das Schönheit erzeugt wie Natur. Ursprünglich kommt die Farbe aus der Natur. Es waren Mineralien, Oxide und Pflanzen, die als Farbe für die Malerei gewonnen wurden.“

Zobernig, der in der Kunstszene als einer der wichtigsten Vertreter der zeitgenössischen Kunst in Österreich gilt, beweist auch in der neuen Serie sein meisterhaftes Verständnis für die Macht der Reduktion und die subtile Eleganz der Formensprache.

Der Künstler, bekannt für seine Auseinandersetzung mit Minimalismus und Konzeptkunst, setzt in der Edition auf eine Rückbesinnung zu klaren, geometrischen Formen: Rechtecke, Quadrate und einem Zusammenspiel von unterschiedlich färbigen Flächen. Diese geometrischen Elemente sind nicht einfach nur abstrakte Grundfiguren. Obwohl sie auf den ersten Blick an computergenerierte Schaltflächen erinnern, gelingt es Zobernig, ihnen eine sinnliche Dimension zu verleihen. Die Farbgebung ist leuchtend, das Zusammenspiel von Flächen und Negativräumen sorgfältig komponiert und von einer Leichtigkeit, die fast tänzerisch wirkt „Es gibt ganz wenige Farbnamen, die wie „Rot“, „Gelb“, „Grün“ oder „Blau“ abstrakt zu lesen sind. Aber es gibt tausende Farbnamen, die sich daran orientieren, was wir gerne essen, was wir übel finden, was wächst oder was wir einfach als Materie vorfinden. Ich habe mich lange damit beschäftigt und versucht, meine eigene Palette zu finden und zu verstehen“. Die implementierte Aussage ‚Pain‘ verbindet auf intelligente Weise den Grundgedanken des Roten Kreuzes – Menschen im Schmerz zu helfen.

Zobernigs Grafiken sind voller rhythmischer Elemente – als würde man einer Melodie mit den Augen folgen. Die Farbflächen korrespondieren mit der Linearität der geometrischen Formen. Das Verhältnis von Vorder- und Hintergrund wirkt dabei dynamisch, fast als ob die Flächen atmen würden. Zobernigs Kunst spielt mit der Wahrnehmung und schafft eine Balance zwischen Präzision und Verspieltheit. Diese Offenheit macht die Arbeiten zugänglich für Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen und ermöglicht es jedem, eine persönliche Verbindung zu den Werken herzustellen.

Der Art Collectors Club und seine Mission

Die Initiative erlaubt Kunstbegeisterten, mit dem Erwerb einer Grafik einen direkten Beitrag zur humanitären Hilfe zu leisten. Die Werke werden gegen eine freiwillige Mindestspende vergeben, deren Erlöse direkt in die Katastrophenhilfe des Wiener Roten Kreuzes fließen. Diese Hilfe ist vielfältig: Sie reicht von Soforthilfemaßnahmen bei Naturkatastrophen bis hin zur Unterstützung von Menschen, die durch Krieg oder humanitäre Krisen in Not geraten. Auch in Österreich selbst kommen die Mittel zum Einsatz, etwa bei Rettungsdiensten, Notunterkünften oder der Versorgung von Menschen, die von akuten Krisen betroffen sind.

„Der Art Collectors Club zeigt, wie Kunst eine Brücke zwischen Ästhetik und Menschlichkeit schlagen kann“, erklärt eine Sprecherin des Roten Kreuzes. „Jeder Kauf eines Kunstwerks ist ein Beitrag dazu, Leben zu retten und Hoffnung zu schenken.“

Bisher haben sich Künstler und Künstlerinnen wie Christian Ludwig Attersee, Herbert Brandl, Brigitte Kowanz, Peter Sengl, Billi Thanner, Franz Zadrazil, Maria Lassnig, Arnulf Rainer, Hubert Scheibl, Eva Schlegel und Erwin Wurm bereit erklärt, einen künstlerischen Beitrag zu leisten.

Die Präsentation der Edition findet am 4. Dezember 2024 um 18:00 Uhr in der Galerie Meyer*Kainer (Eschenbachgasse 9, 1010 Wien) statt. Interessierte sind herzlich eingeladen, die Werke im Original zu bewundern und Teil dieser außergewöhnlichen Initiative zu werden. Denn der Art Collectors Club des Wiener Roten Kreuzes zeigt: Kunst kann nicht nur die Welt verschönern, sondern sie auch verbessern.

Weitere Informationen:
www.wrk.at/artcollectorsclub

Impro-Cup 2024 in Graz: Ein Fest der Überraschungen, des Theater-Wahnsinns und der Impro-Genialität

Impro-Cup 2024 in Graz: Ein Fest der Überraschungen, des Theater-Wahnsinns und der Impro-Genialität

Graz, die Stadt der Murinsel, des Uhrturms und des charmanten Improvisationstheaters, wurde im November zum Epizentrum des Impro-Cups 2024. Ein Festival, bei dem Schauspieler*innen aus ganz Europa in einem gewagten Experiment aufeinandertrafen – Blind Dates auf der Bühne. Fünf Abende, fünf Duos, die sich vorher nicht kannten, aber gemeinsam Neuland betraten. Das Versprechen: Unterhaltung, die berührt, begeistert und garantiert nicht langweilt. Das Ergebnis? Ein Festival, das seinesgleichen sucht und bewies, dass improvisiertes Theater mehr ist als ein paar schnelle Witze.

Im Zentrum standen die sogenannten „Dynamic Duo Shows“, bei denen Künstlerinnen und Künstler des Theaters im Bahnhof (TiB) auf internationale Gäste trafen. Das TiB wurde durch Pia Hierzegger, Lorenz Kabas, Jacob Banigan und Beatrix Brunschko vertreten, während Anja Balzer und Oliver Rank aus Deutschland, Billy Kissa aus Griechenland, Sara Šoukal aus Slowenien und Chris Mead aus Großbritannien teilnahmen. Jede und jeder von ihnen brachte nicht nur den individuellen Stil, sondern auch ihre eigenen kulturellen Einflüsse ein, die diesen Abenden eine einzigartige Note verliehen.

Aus den fünf abwechslungsreichen Abenden haben wir zwei ausgewählt, um aus ihnen hier spannende Eindrücke und Erlebnisse zu teilen.

Montag Spezial: EUROMIX – Wenn Kerzen flirten und Götter Weihnachten feiern

Der zweite Cup-Abend im Orpheum begann mit einer humorvollen Aufwärmphase. Dabei wurde das Publikum mit einem „Schulter-an-Schulter“-Wettbewerb herausgefordert – wer zuerst eine menschliche Kette bildet, gewinnt. Hier zeigte sich, dass das Grazer Publikum nicht nur gerne lacht, sondern auch hochkompetitiv ist. Die Moderation legte charmant-chaotisch nach, indem der Abend in „Englisch, schlechtem Englisch, Deutsch und schlechtem Deutsch“ ankündigt wurde – schlichtweg einem multilingualen Chaos, das hervorragend funktionierte.

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Improcup 2024 in Graz (Foto. Johannes Gellner)

Die Szenen des Abends boten ein Feuerwerk an absurden Einfällen. So konnten sich zwei menschliche Kerzen partout nicht aneinander lehnen– eine grotesk-lustige Metapher für eine unmögliche Liebe. Im nächsten Moment durfte man in einem belebten Café drei Paare belauschen , deren Dialoge kunstvoll miteinander verwoben wurden. „Horoskope funktionieren nicht!“, platzte es dabei aus einem Mann heraus, worauf seine Begleiterin fassungslos antwortete: „Du hast mein Leben ruiniert.“
Ein weiteres Highlight war die Szene „Happy Funeral“, bei der eine Pina-Colada-Beerdigung gleichzeitig melancholisch und urkomisch wirkte. Eine Improvisation brachte sogar zwei Berge zum Reden, die in einem Gespräch über die Notwendigkeit vulkanischer Entgasung philosophierten. Der Vulkan müsse „pupsen“, weil Zurückhaltung ihm schaden würde – ein Moment, der in puncto Absurdität und Lachmuskelstimulation kaum zu überbieten war.
Musikalisch ging es mit einem improvisierten Song weiter, bei dem Felix Klengel am Keyboard gefordert war. Und dann waren da noch die Götter des Olymp, die beschlossen, Weihnachten zu feiern. Zeus, gewohnt unkonventionell, gestand, eine Affäre mit der Mutter von Jesus gehabt zu haben – weil, na ja, Versuchung ist eben Versuchung und er schließlich Zeus.
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Der Abend endete mit einer epischen Tennisszene auf einem Friedhof, bei welcher der Ball abdriftete und von Ameisen in ihren Bau verbracht wurde. Wenig später wanderte er in einen Abwasserkanal, um schließlich mit einem Liebespaar seinen Weg zurück auf den Friedhof zu finden. Damit schloss sich der Kreis einer surrealen Geschichte, in der sich die Grenzen zwischen Komödie, Romantik und Impro-Kunst auflösten.

Mittwoch: Drei Blind Dates – Von Katzen, Dystopien und poetischen Reisen

Am Mittwoch änderte sich der Ton des Festivals, ohne an Spannung oder Kreativität zu verlieren. Statt interaktiver Szenen stand an diesem Abend die kreative Stückentwicklung und schauspielerische Kunst im Vordergrund. Drei Duos, die vorher nicht miteinander gearbeitet hatten, präsentierten vorbereitete Stücke, die dennoch Platz für zusätzliche, kleine Impro-Einlagen boten.

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Improcup 2024 in Graz (Foto. Johannes Gellner)


Lorenz Kabas und Sara Šoukal loteten in „194 km between us“ die kulturelle und emotionale Distanz zwischen Graz und Ljubljana aus. Sie erzählten von Geburtstagsfeiern, ersten Alkoholerfahrungen und einsamen Parties. Höhepunkt dieser Performance war die Interpretation eines französischen Gedichtes von Lorenz, zu dem Sara einen improvisierten Tanz aufführte. Die Poesie dieses Moments kam auch ohne Humor aus, dafür aber versehen mit jeder Menge Gefüh – eine neue Erfahrung im Impro-Theaterbereich.

Beatrix Brunschko und Billy Kissa widmeten sich in „Cat Ladies“ ihrer Liebe zu Katzen und nahmen mit ihrer Show das Publikum in ihre eigene Welt mit. Sie kreierten eine humorvolle und zugleich berührende Reise, die das Gefühl der Einsamkeit und die unerwartete Entdeckung von Freundschaft thematisierte. Mit viel Charme und Spielfreude schufen sie eine intime Atmosphäre, in der sich lustige Szenen mit leisen, nachdenklichen Momenten abwechselten. Ihre Darstellung war voller Witz, aber auch nachvollziehbarer Verletzlichkeit und bot eine herzerwärmende Theater-Erfahrung. Dass ihre Show das Publikum mit dem letzten Satz zu hinreißendem Lachen animierte, setzte ihrer Leistung noch das berühmte Tüpfelchen auf dem i auf.

Den Abschluss des Abends bildeten Jacob Banigan und Chris Mead mit „Future Foundation“, einer dystopischen Science-Fiction-Performance. In einer Gesellschaft, in der Individualität unterdrückt wird, verliebt sich Chris’ Figur in eine rothaarige Rebellin – ein brillanter, tragikkomischer Kommentar auf Mittelmäßigkeit und die Suche nach Freiheit. Besonders beeindruckend war die Vielseitigkeit der beiden Schauspieler, die mühelos zwischen verschiedenen Rollen wechselten und gleichzeitig jede Figur mit einer einzigartigen Persönlichkeit ausstatteten. Die Welt, die sie erschufen, war zugleich absurd und tiefgründig und bot eine Mischung aus Humor und Ernsthaftigkeit, die verdeutlichte, wie anspruchsvoll und reflektiert Improvisationstheater auch sein kann.

Thank you TIB for the Impro-Cup

Der Impro-Cup 2024 war ein Fest für all jene, die gerne ins Theater gehen und sich dort überraschen lassen, vor allem aber auch ein Triumph für die Kunst der Improvisation. Das TIB hat sich mit diesem Festival einmal mehr als Zentrum der Impro-Kunst in Österreich erwiesen.