Eine Komödie, in der der Irrsinn fröhliche Urstände feiert
Eine Komödie, in der der Irrsinn fröhliche Urstände feiert
Michaela Preiner
Glaubt man zu Beginn beinahe, sich in einem falschen Theater zu befinden, so Burgtheater-untauglich und seicht beginnt die Farce, weiß man am Schluss, warum es hier doch gut aufgehoben ist. Michael Frayn lieferte damit ein Meisterstück mit mehreren Interpretationsebenen ab, die bis hin zur philosophischen Fragestellung rund um die Selbst- und Fremdbestimmung und den Schein und Sein des Lebens geht. Seine Charaktere, darauf bedacht, auf der Bühne eine gute Figur zu machen, gleiten im Laufe des Geschehens in ein Chaos, das sie nicht mehr beherrschen können und verlieren darin nicht nur die Kontrolle, sondern einige von ihnen auch ihr Gesicht. Frayn beherrscht dabei die Kunst des intellektuellen Understatements perfekt und überlässt erweiterte Deutungen den Zusehenden, so sie dazu willens sind. Abgesehen von diesem aufregenden Text und dem Bühnenbild, gestaltet von Annette Murschetz, das „sauteuer war, aber billig aussieht“, wie der Regisseur moniert, ist es das Ensemble, das den Abend zu einem Glücksfall macht.
Frayns versah seine Charaktere mit tiefgründigen Seelen-Einblicken, in welchen es nur allzu sehr menschelt. Eifersucht, Hass, Neid bilden schon im zweiten Akt ein unheilige Mengenlage, die sich bis ins Finale noch furios steigert. Dass es dabei zu höchst witzigen Einlagen kommt, liegt bei diesem Genre auf der Hand.
Großartig, wie dabei Thomas Loibl als Franz Xaver-Hötz seine Hosen runterlässt und so die Treppe in den ersten Stock des Hauses nach oben hüpft. (Kostüme Heide Kastler) Als Steuerflüchtling darf er sich mit seiner Frau, dargestellt von Katharina Pichler, in seiner Immobilie eigentlich nicht blicken lassen und evoziert dadurch jede Menge Verstrickungen. Auch wie er sich immer wieder Taschentücher in die Nase stopfen muss, weil er vor lauter empathischer Anteilnahme an Grausamkeiten daraus zu bluten beginnt, ist einfach nur köstlich. Mit Loibl wurde diese Rolle ideal besetzt, steht doch seine stattliche Erscheinung, durch ein zusätzliches, großes Gebiss noch verstärkt, in direktem Widerspruch zu seiner zarten Seelenbesaitung.
Paul Wolff-Plottegg erfüllt herzerwärmend den Part des Alkoholikers, der einen Einbrecher gibt und seine Kolleginnen und Kollegen bei jeder Vorstellung in Angst und Schrecken versetzt, wenn er nicht rechtzeitig gesichtet wurde. Dieser Mann, der seine seelische Verletzbarkeit offen zur Schau trägt, ist der einzige Charakter, der den Irrsinn, der sich ausbreitet, ohne weitere Blessuren übersteht. Ein wunderbarer, dramaturgischer Kniff, das Positive am Menschsein ausgerechnet an einem stillen Alkoholiker festzumachen, der den Wirren des Alltags komplett entrückt zu sein scheint.
Mit der Regieassistentin Mechthild (Deleila Piasko und Herrn Klemt, einem Inspizient, (Arthur Klemt) wird die Crew, die sich nach der Premiere auf Österreich-Tournee begeben muss, vervollständigt. Mit ihnen bietet Frayn einen kleinen Einblick hinter die Kulissen des Theateralltags und erklärt Berufsfelder, für die man ganz spezielle Persönlichkeitsprofile vorweisen sollte, um sie schad- und klaglos an der eigenen Psyche ausführen zu können.
„Der nackte Wahnsinn (noises off)“, so der gesamte Stücktitel, ist ein Glücksfall für die Burg und könnte sich zu einem Dauerbrenner entwickeln. Die kleinen Österreich-Adaptionen, welche Kušej vorgenommen hat, angefangen von Hinweisen auf das diesjährige Jubiläum der Salzburger Festspiele bis hin zu einem eleganten Seitenhieb auf die Wiener Festwochen oder der Verballhornung des Namens eines Wiener Feuilletonisten, trägt zusätzlich zur Publikumsakzeptanz bei, die sich in langem Applaus äußerte.
Nähere Informationen: Webseite Burgtheater