Don´t stop us now!

„Boys awakening“ von TheaterFOXFIRE & Dschungel Wien als gruppendynamische Erforschung erster Liebesgefühle

Acht „Jungs“ zwischen 12 und 33, geballte Lebenskraft mit Spaß am Performen und Tanzen bringen den großen Saal im Dschungel zum Kochen. Zwischenapplaus und Bravo-Rufe am Schluss machen klar: Das, was hier gezeigt wurde, ist angekommen.

„Boys awakening“ nennt sich die neue Koproduktion von Theater Foxfire & Dschungel Wien in der die jungen Männer erkunden, wie das so ist mit dem Erwachsenwerden – nicht nur im Kopf. Das Grobgerüst gab Frank Wedekinds „Frühlingserwachen“ vor. Allerdings ballt sich in der Tanzversion kein Lebensdrama zusammen. Vielmehr diente die Vorlage nur dazu, jene Emotionen zu hinterfragen, die mit dem Aufkommen von Sexualität einhergehen.  Was ist Sex eigentlich? Wann hast du das erste Mal mit einem Mädchen geschlafen? Warum gehe ich, wenn ich mit einem Mädchen zusammen bin, viel mehr aus mir heraus? Warum darf man ein Mädchen nicht schlagen? Bin ich anders als die anderen? Warum trägst du Mädchenkleider, wenn du doch ein Junge bist? Fragen, die sich jedem Teenager einmal stellen, werden auf offener Bühne zur Diskussion gestellt. Und unterschiedlich beantwortet.

Dass daraus keine Diskussionsrunde wurde, dafür sorgte Corinne Eckenstein, die zuvor schon „Boys don´t cry“ und „The boys are back in town“ inszenierte. Das Bühnenbild besteht aus einem ausrangierten, knallroten 2CV. Mit seinen aufmontierten Trommeln und dem integrierten Keyboard funktioniert die Autokarosse aber auch als Instrumentalbehelf sowie als Rückzugsmöglichkeit für den ein- oder anderen in kurzen Auftrittspausen. Schwarze Gummireifen – von Motorrad- bis hin zu LKW-Größe fungieren immer wieder als höchst wandelbare Requisiten und Rhythmusinstrumente.

Rhythmus  ist das bestimmende Element dieser Vorstellung. Ob initiiert durch Konservenmusik aber auch von den Boys selbst geschaffen. Wenn sie sich von „Rachel“ (Richard Schmetterer) den Takt einpeitschen lassen und mit ihren dicken Drumsticks auf ihre Reifen dreschen, kommen sogar Stomp-Gefühle auf. Wenn sie den Jüngsten, Lino Eckenstein, in einer wunderschönen Choreografie mit unendlich vielen Hebefiguren von einem zum anderen über ihre Köpfe reichen, erinnert man sich selbst an die ersten Schmetterlinge im Bauch. In dieser Bandbreite spielt sich die Erkundung der Gefühle ab. Immer wieder beeindrucken einzelne Soli, wie jenes von Joaquin Ylo, genannt Schoko, der nicht nur eine herrliche Masturbationsnummer mit seinem Regenschirm vollführt, sondern auch mit einer Tischtennisnummer brilliert – mit imaginärem Schläger und imaginärem Ball.

Die Erinnerung an die allererste Liebe und das allererste Verlassenwerden manifestiert sich poetisch in ineinander geknüpften Mädchenpullovern, aber kaum droht das Geschehen ins allzu Romantische zu kippen, kann man sicher sein, dass sich das Blatt rasch wendet. Einer für alle lautet das Motto meist – aber testosterongeschwängerte Raufhändel gehören wohl auch zum Erwachsenwerden. So lange, bis Lino schließlich wie einst Oskar Matzerath in der Blechtrommel aus vollem Hals zu schreien beginnt. „Ich will nicht erwachsen werden!“

Don´t stop me now – der Superhit der Gruppe Queen von 1978 wird schließlich zum allgemein verbindenden Bekenntnis. Und wahrlich: diese Jungs sollte man wirklich nicht stoppen!

Flavio de Pina Soares de Carvahlo, Hisham Morscher, Adil Embaby – der in seinem Rollstuhl zeigt, wie Lebensfreude und Tanz auch mit einem Handicap zum Ausdruck gebracht werden können, Ben Pascal und Futurelove Sibanda machen neben den zuvor Genannten das Powerteam aus.

Weitere Termine hier: Boys awakening im Dschungel

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