Geliehene Schattenanker

Geliehene Schattenanker

Michaela Preiner

Foto: ( )

15.

März 2015

Barokthegreat beim Imagetanz im brut. Musik, Licht und Tanz vereinen Enigmen, deren Rätselhaftigkeiten ungelöst stehen bleiben. Ein Fest der Sinne und eine Herausforderung des rationalen Denkapparates.

Barokthegreat beim Imagetanz im brut. Musik, Licht und Tanz vereinen Enigmen, deren Rätselhaftigkeiten ungelöst stehen bleiben. Ein Fest der Sinne und eine Herausforderung des rationalen Denkapparates.

Trolle, Feen, Trollfeen. Schwarz das Mäntelchen, nicht purpur. Grau das Hütchen, nicht schwarz. Ledern der Wams und die Handschuhe. Grazil die Figur. Schritte vorsichtig, einer vor den anderen, das Bett warm im schwarzen Boden, der Pigmente zu seinen Verwandten zählt. Das Licht ist außerhalb. Verführerisch, wenn die nackten Ärmchen sich bewegen. Staunen ob des eigenen Leibes und der Möglichkeit, die ungenutzt erscheint. Das warme Bett, es wartet noch. Wohlig die Musik, einfach gestrickt oder so kunstvoll wie die Lederjäckchen. Wie man es nimmt. Erwachsen und schwupp die wupp ganz im Märchen versunken, wer hätte das gedacht!

Gitarren aus den elektronischen Sphären und Synthesizer mit bunten Lämpchen, die ihr Bestes geben. Ohrenschmeichler, die den Raum erfüllen und brav getaktet sind. Der Wald ist finster bis das kleine Lämpchen, das Aufblitzen eines rasch verglühten Feuerchens nur die schwarze Hülle zurücklässt. Panik und Trauer. Der Leichenzug ist nur noch für Ephemeres zusammengekommen. Die Blicke, himmelwärts gerichtet, geben keine Auskunft über das zuvor Geschehene und keine darüber, was noch geschehen wird.

Das Bett verschwunden, neu geordnet der Raum. Schattenanker, durchlöchert, die vermeintlichen Halt bieten. Nur geliehen, müssen wieder zurück und die Boote, die Plattformen verschwinden, wie sie gekommen. Der Schwerkraft enthoben wird entlang der Raumkante getanzt. Wer kann es besser? Ist ein Absturz zu erwarten? Die Schatten wissen es genau, kennen die Körper, die keine mehr sind. Kennen ihre Herren und Frauen, aber trauen sich selbst nicht über den Weg. Vorsichtig stapft eines nach dem anderen auf die dunklen Flecken, die sich mit den Figuren mitbewegen. Im Traum wären sie Gespenster an der Wand. Die Augen bewegen sich beinahe im Sekundentakt zwischen den Schatten und ihren Zerrbildern aus Fleisch und Blut. Das sagt aber nur der Kopf, nicht das Herz. Das verbleibt weiter behaglich in seinem Märchen. Kommt mir nicht mit der Realität!

Das Liebliche wird zur Bedrohung am Himmel. Weiß, Rot, Grün und Durchscheinendes, das Rätsel aufgibt. Es bleibt beständig an seinem Platz. Festgehimmelt erhält es sein Solo. Darunter wird gewacht und geschlafen. Lichtgrüne Kreise verkünden Neues. Im gemeinsamen Segment das Rot Orange und Blau. Getrennt die Sippe. In Jäger und Gejagte. Durch Licht und Farbe, durch eine Menschenverwandlung ausgestoßen aus dem Wald. Abseits sitzend. Träumer und Traumgebilde zur selben Zeit sichtbar. Die Träume werden hervorgeholt aus den Tiefen des anderen Ichs. Gerollt am Boden das Menschenleiberkonglomerat. Die Beine und Arme in die Luft gestreckt und krakengleich die Gesichter versteckt. Das Klangraumschiff will abheben, schraubt sich in ungeahnte Höhen, um bald darauf zu verschwinden. Vorbei der Spuk? Die Hütchen in der Hand menschelt es im Trollfeenland. Vorbei das Gewimmel, standfest und tanzschrittgefügig nun die Fortbewegung. Menschlich. Und allzu menschlich das Gerangel, das Armgefuchtel im hellen Licht, das aus Menschen Leiber mit Rotoren macht. Die letzte Seite des Märchenbuches zugeklappt. Noch so viel zu lernen, die Sprache, das Wissen, ohne sie gibt es keine Erkenntnis, bleibt nur Gefühl.

Der Abgang leise, unspektakulär. Der letzte Auftritt ein Appendix. Gitarren aus den elektronischen Sphären und Synthesizer mit bunten Lämpchen sind verstummt. Stille kriecht vom Unten ins Oben. Grau die Bluse und Hose, braun die großen Augen, die Kontakt aufnehmen mit den Menschen. Bedrohliches Nahekommen aber das Abwenden und Zurückschreiten doch noch im richtigen Moment. Geziert ein Bein, zornig die beiden Hände, die immer wieder unter dem Kinn hervorstoßen und ein wuchtiges Schimpfwort in den Raum zeichnen. Getrieben von Instinkten aber dem Menschlichen schon sehr nah. Die Hände klatschen verhalten, zögerlich. Was war das? Der Kopf belastet vom Gesehenen, aber nicht Zuzuordnenden. Damit permanent am Suchen. Die nächsten Tage bestimmt. Vielleicht auch Nächte. Nach Jahren ein Blitz im Kopf. Trolle, Feen, Trollfeen. Wie war das noch?

„Ich habe versucht, ein visuelles Erlebnis zu schaffen, welches die sprachlichen Einordnungsschemata umgeht und mittels eines emotional-philosophischen Inhalts direkt zum Unterbewusstsein vordringt. Ich war bestrebt, den Film als intensiv subjektive Erfahrung zu kreieren, die den Zuschauer auf einer inneren Bewusstseinsebene erreicht, genauso wie Musik; eine Beethoven-Symphonie zu ‚erklären‘ würde sie entzaubern, durch die Errichtung einer künstlichen Schranke zwischen Konzeption und Wahrnehmung. Es steht jedem frei, über die philosophische und allegorische Bedeutung des Films zu spekulieren – und derartige Spekulation ist ein Anzeichen dafür, dass es gelungen ist, das Publikum auf einer tiefen Ebene zu berühren – aber ich möchte keine verbale Deutung für 2001 aufstellen, der sich jeder Zuschauer verpflichtet fühlen wird, in der Befürchtung, andernfalls den Kern nicht erfasst zu haben.“

Stanley Kubrick
über 2001: Odyssee im Weltraum

Danke an Andrea Isker.

Victory Smoke – Trailer from Barokthegreat on Vimeo.

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