„WHAT“ von Anna Mendelssohn zeigt nicht nur die Missverständlichkeit von Sprache. Sie macht auch den Unterschied zwischen weiblichen und männlichen Sprachmustern deutlich.
Zwei Stühle. Eine Frau, ein Mann. Ein kleines Beistelltischchen mit Gläsern und Getränken. Mehr braucht es nicht für die Performance „WHAT“ von Anna Mendelssohn. Und – nicht sichtbar, aber emotionsunterstützend – ein wenig Musik vom Band. An gewissen Stellen.
„Warum schaust du so?“ „Ich schaue?“ „Ja, du hast diesen gewissen Blick.“ „Welchen Blick?“ Mit diesen Sätzen beginnt Mendelssohns Auftritt in einem Studio des Tanzquartiers Wien. Anlässlich der 3rd edition von „feedback“ wurde die Schauspielerin und Autorin noch einmal eingeladen, ihre Performance auch einem internationaleren Publikum zu präsentieren. Gemeinsam mit Joep van der Geest tat sie dies in englischer Sprache.
Was wie ein kleiner Streit zwischen einem jungen Paar beginnt, spult sich im Laufe einer Stunde als brillantes Feuerwerk von Ideen ab, die wie im Ping-Pong zwischen den beiden ausgetauscht werden. Dabei darf Wittgenstein im Geiste fröhlich von der Ferne winken. Denn rasch wird die Frage gestellt, ob es überhaupt möglich ist, sein Gegenüber zu verstehen. Ob denn Worte nicht für jeden etwas anderes bedeuten, sodass ein verständlicher Austausch damit überhaupt nie zustande kommen kann.
Und tatsächlich scheint dies so zu sein. Es gibt, so scheint es, eigentlich gar keine Gemeinsamkeiten zwischen diesem Paar. Und auch keinen intensiven Gedankenaustausch. Worüber man normalerweise spricht sind die Freunde, was gegessen wird und ob man zum Frisör geht. Überspitzt zeigt Mendelssohn dabei jenen Kommunikationszustand auf, den ein Großteil der Paare tatsächlich pflegt. Ein darüber hinaus gehendes Gespräch, ob man nun den anderen überhaupt liebt, warum man zusammenbleiben möchte und was es mit dem Streben nach Freiheit so auf sich hat, findet selten statt. An diesem Abend aber schon. Doch dabei macht es keiner dem anderen leicht. Fragen werden mit Gegenfragen beantwortet, die hohe Schule der Dialektik bis zum Äußersten ausgereizt, sodass man meint, sich in einem veranschaulichten, jesuitischen Rhetorikkurs zu befinden. Das Gespräch gipfelt schließlich in einer schier endlosen Aufzählung von Gegensätzen und einem flotten Twist. Sind die Körper erst einmal in Bewegung, hören die Gedanken zwar nicht auf zu fließen, aber es ist schon erheblich schwerer, sich wilde Dinge an den Kopf zu werfen.
Nicht unerwartet beginnt die Stimmung nach der Tanzeinlage zu kippen, das Knistern zwischen den beiden jungen Leuten wird wieder spürbar und, einem wunderbaren Einfall sei Dank, beginnt das Spiel von Neuem. Jetzt aber mit verkehrten Vorzeichen. „Warum schaust du so?“, dieses Mal ist es nicht Mendelssohn, sondern van der Geest, der mit exakt denselben Worten wie seine Partnerin zuvor eine neue Konversationsschlacht beginnt. Mendelssohn arbeitet ähnlich wie Tom Stoppard in seinen Erfolgsstücken, die über Monate in London ausverkauft sind, mit einem hoch intelligenten Sprachwitz, der richtig rockt. Dabei zeigt sie gleichzeitig männlich-weibliche Sprachmuster, die in der westlichen Welt wohl allgemeingültig sind. Die Lacher des Publikums kommen prompt an Stellen, die alle schon einmal so oder in einer gewissen Abwandlung selbst miterlebt haben dürften.
Ein flottes, spritziges Pas de deux mit Worten, einmal aus der Sicht und der Feder einer Frau.