Lieder aus einer anderen Welt

Lieder aus einer anderen Welt

Michaela Preiner

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4.

August 2015

Nichts, was Teodoro präsentiert, verströmt Leichtigkeit. Alles hat einen tiefen, doppelten Boden. Sie holt mit ihren bizarren Kreaturen die Vergangenheit ins Hier und Jetzt und macht damit deutlich, dass wir mehr sind als unsere eigene Biographie uns es vorgaukelt.

Ana Rita Teodoro schlüpfte in „SHADE (Fantôme Méchant)“ in die Rolle eines geisterhaften Wesens, das Lieder aus der Vergangenheit sang.

Die Begegnung mit Geistern kann, so wird erzählt, auf ganz unterschiedliche Art und Weise geschehen. Allerdings sind die meisten Begegnungen, laut erfahrenen Geisterkontaktpersonen, mit einer Gänsehaut verbunden. Das ist es wohl, was Ana Rita Teodoro in ihrer Performance „SHADE (Fantoôme Méchant)“ vorhatte. Anlässlich der Reihe (8:tension) des Impuls Tanz Festival erinnerte sie an nicht mehr gesungene, im Nichts verschwundene Lieder ihrer portugiesischen Heimat, die alle eines gemeinsam haben: Sie erzählen von Frauenerlebnissen zu einer Zeit, in der die Emanzipation noch ein Fremdwort war.

Dazu bemühte sie – heute schon ein Relikt – gleich zu Beginn den alten, roten Samtvorhang. Er kündet von einem Geschehen, das außerhalb unserer Tageserlebnisse steht, von einer Aufführung, die, wenn der Vorhang wieder fällt, ihrer artifiziellen Umgebung wieder zurückgegeben wird. Die Bühne selbst war durch verschiedene schwarze Stoffbahnen in der Tiefe gestaffelt und der Bewegungsradius dadurch eingeschränkt. Tatsächlich nutzte die Tänzerin und Choreografin den offenen Mittelteil dazu, dass das Publikum, das nicht wirklich exakt mittig saß, nur schemenhaft oder bruchstückhaft ihre Bewegungen mitverfolgen konnte. Und sie evozierte damit jene Gefühle, die einen anwesenden Körper als abwesend, nicht greifbar empfinden lassen.

Auf ihrem nackten Oberkörper, die Brustwarzen sind mit weißen Klebebandkreuzen überklebt, finden sich einige Markierungen aus demselben Material. Sie erwecken den Eindruck eines multipel verletzten Körpers und künden von Blessuren, die nie verheilten. Der bodenlange Rock der Tänzerin und Choreografin wird von ihr zu Beginn über den Kopf gezogen, später zu einem Wickelkind, dann einem Phallus zusammengebunden und fungiert sogar einmal als Mikrofon. Mit jedem von ihr selbst vorgetragenen Lied verwandelt sich die schlank gewachsene, große Frau in ein neues Wesen. Das eine scheu, permanent von einer Seite zur anderen blickend, das andere selbstbestimmt, den Rhythmus mit dem Fuß mitstampfend. Spooky wird das Geschehen, wenn Ana Rita Teodoro die Lieder wie eine Bauchrednerin vorträgt. An einer Stelle die Gesichtszüge lächelnd aber gefroren, an anderer zu einer Fratze verzerrt, kommen die Sätze und Töne dennoch gut verständlich beim Publikum an. Die Frau, die hier singt ist wer? Ist in welchen Körper geschlüpft?

Nichts, was Teodoro präsentiert, verströmt Leichtigkeit. Alles hat einen tiefen, doppelten Boden. Sie holt mit ihren bizarren Kreaturen die Vergangenheit ins Hier und Jetzt und macht damit deutlich, dass wir mehr sind als unsere eigene Biographie uns es vorgaukelt. Die Performance dauerte keine ganze Stunde und belohnte vor allem jene, welche ihre eigene Ratio ausblenden und Emotionen zulassen konnten. Spüren und nicht denken hilft auch in der Theater- und Tanzszene oftmals einen großen Schritt weiter.

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