Alexander Somov und Harold Hirtz – Don Quichotte und Sancho Pansa des OPS
08. Dezember 2009
Optisch sind sie das Gegenteil von Don Quichotte und Sancho Pansa, genau umgekehrt in ihrem Körperbau veranlagt. Der Cellist Alexander Somov, der Don Quichotte in Richard Strauss` Tondichtung verkörpert ist von kräftiger Statur, wenngleich nicht klein. Harold Hirtz, der Sancho Pansa mit der Bratsche sehr groß und schlank gewachsen. Ihre Temperamente aber vergleichen sie tatsächlich […]
Michaela Preiner
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Alexander Somov, Harold Hirtz (Foto: OPS)

Alexander Somov, Harold Hirtz (Foto: OPS)

Optisch sind sie das Gegenteil von Don Quichotte und Sancho Pansa, genau umgekehrt in ihrem Körperbau veranlagt. Der Cellist Alexander Somov, der Don Quichotte in Richard Strauss` Tondichtung verkörpert ist von kräftiger Statur, wenngleich nicht klein. Harold Hirtz, der Sancho Pansa mit der Bratsche sehr groß und schlank gewachsen. Ihre Temperamente aber vergleichen sie tatsächlich ein wenig mit jenen des literarischen Vorbildes von Miguel Cervantes. Er ließ ja bekanntlich die beiden Hauptfiguren seines Buches allerlei sagenhafte Kämpfe austragen und dies alles zu Ehren einer – Bauernmagd, Dulcinea.

Im OPS spielen die beiden jungen Musiker schon seit 2006 miteinander, unter der Leitung von Marc Albrecht wurden sie in dieser Saison auf der Bühne zu einem Paar zusammengeschweißt, das musikalisch seinen Träumen, Halluzinationen und selbst auferlegten Aufgaben folgt. „Strauss hat nicht die schwersten Kapitel für seine Tondichtung ausgesucht. Dennoch gibt es dabei Stellen, die den Charakter von Don Quichotte ganz, ganz tief ausloten, bis in seine schwärzesten Abgründe. Da kann ich mich selbst tatsächlich auch wiederfinden“ kommentiert Alexander Somov seine Rolle. Der aus Bulgarien stammende erste Cellist des OPS wurde während seines Studiums in Sofia von Stefan Popov 1995 an die Guildhall School of Music and Drama in London gerufen. Der weltberühmte Cellist war in seiner Heimat längst zur Legende geworden und immer auf der Suche nach neuen Talenten. Hirtz hingegen ging nach seiner ersten Ausbildung am Konservatorium in Straßburg nach Paris, wo er bei Patrice Fontanarosa und Jean Mouillère Geigenunterricht, bzw. Kammermusikunterricht erhielt . Und doch sind beide in Straßburg gelandet, bei einem Orchester, das für die jungen Männer so attraktiv war, sich hier zu bewerben.

„Für mich war es in Paris nicht wirklich schwer zu studieren“ erzählt Hirtz über die Zeit, die er ab 16 in der Hauptstadt verbrachte. Ich hatte Freunde dort und es war ein anderes Leben, viel freier als zuvor. Aber was dann zurück in Straßburg passierte, das halte ich auch heute noch für einen Traum. Ich hatte mich bei zwei Bewerbungen für Geige nicht durchsetzen können, da machte mich Claude Ducrocq, der damalige Solo-Bratschist aufmerksam, dass für ihn eine Nachfolge am OPS gesucht würde und ermutigte mich, dafür zu üben. Das tat ich auch und es ging mir extrem leicht von der Hand. Dass ich dann auf Anhieb genommen wurde, konnte ich selber erst gar nicht glauben, so unglaublich war das.“ Dass Hirtz jedoch damals schon mit Preisen ausgestattet gewesen war, erwähnt er mit keinem Wort. „Für mich war London am Anfang extrem schwer. Auch ich war 16 Jahre alt und ganz allein in dem fremden Land. Meine sozialen Kontakte machte ich in den vielen Pubs, das war extrem wichtig für mich, um Anschluss zu bekommen“ ist von Somov zu erfahren.„Die Zeit in England war auch für meine Karriere notwendig. Ich hatte das Glück, 2000 Solocellist der Northern Sinfonia Newcastle zu werden, das unter der Leitung von Thomas Zehetmair stand.“ Ab diesem Jahr trat er auch bei Solokonzerten des London Philharmonic Orchestras, der London Symphony , dem Scottish Chamber Orchestra oder dem English Chamber Orchestra als Gast auf. Warum aber sind die beiden schließlich in Straßburg gelandet? „London ist eine kulturvolle Stadt mit vielen Orchestern, aber als meine Partnerin ein Baby erwartete, suchten wir bewusst nach einer anderen Umgebung, in der unser Kind aufwachsen sollte. Straßburg ist ein idealer Ort dafür und noch dazu hat das Orchester einen ausgezeichneten Ruf. Außerdem hat sich das Repertoire im Chamber Orchester zu wiederholen begonnen, was für ein Kammerorchester auch normal ist“ begründet Somov seine Übersiedelung. „Ich habe mich auf freie Stellen hier in meiner Heimatstadt beworben, in Paris gibt es ein Überangebot an Musikern, “ erklärt Hirtz.

Dass beide nun schon mehrere Jahre auch am Konservatorium unterrichten, hat mit ihrem Vertrag zu tun, der jeden Musiker und jede Musikerin des OPS dazu verpflichtet. Auf die Frage, ob es schwer sei, so jung schon zu unterrichten, winken beide unisono zuerst einmal ab. „Nein, gar nicht! Wir kennen ja das Soloprogramm das alle erlernen müssen in- und auswendig. Wir haben es ja selbst erlernt“, so Somov wobei Hirtz relativiert: „Es kommt ganz auf die Schüler drauf an und wie hoch der Level ist, den man beim Unterricht ansetzt. Ich habe viele junge Schülerinnen und Schüler; hier besteht noch die Herausforderung, sie zum Üben zu motivieren. Sie haben in der Schule enorm viel zu tun, müssen noch lernen, wenn sie nach Hause kommen und erklären dann oft, dass sie keine Zeit hatten zum Üben. Bei jenen, die einmal Musik zu ihrem Beruf machen wollen, da setzte ich schon auch einmal Daumenschrauben an.“ „Was man braucht, ist Geduld“ wirft Somov ein, „Das stimmt, und da muss ich noch viel, viel lernen!“ ergänzt sein Gegenüber. „Das Wichtigste ist aber sicherlich zuerst einmal die Beherrschung der Technik, ohne die geht es nicht“ – Somov. „Genau, das kann man mit einem Kellner vergleichen. Auch der muss zuerst lernen, wie er dem Gast eine Speise serviert. Wenn er aus Ungeschick stolpert, ist alles verloren“ vergleicht Hirtz die Ausbildung und unterstreicht seine Ausführung mit einer kleinen, pantomimischen Einlage. Es ist hoch interessant, wie sehr sich die beiden Musiker bei diesem Gespräch die Stafetten in die Hand geben, so, als führten sie ein zweistimmiges Stück auf, in dem die Melodie keine Unterbrechung erfahren darf.

Die Frage, ob das OPS eine Charakteristik aufweist, die es von anderen Orchestern unterscheidet, bringt sie dennoch kurz ins Nachdenken. „Ich glaube, der Klang der Orchester ist bei weitem nicht mehr so einzigartig wie dies früher der Fall war. Das hängt damit zusammen, dass die Dirigenten nicht mehr so lange mit einem Orchester arbeiten und auch, dass das Niveau der Musikerinnen und Musiker so enorm gestiegen ist. Aber das OPS unterscheidet sich doch von seinem Programm her zumindest von den anderen Orchestern in Frankreich“, Somov, der schon in mehreren Orchestern gespielt hat, scheint zu wissen, wovon er spricht. „Das stimmt auf alle Fälle“, ergänzt Hirtz, „hier in Straßburg spielen wir ein Programm, das sehr germanophil ist. Wir spielen viel Mahler, Bruckner, Brahms, auch Strauß. Ich bin sehr froh darüber, denn ich liebe diese Musik über alles. Marc Albrecht soll, laut den Kolleginnen und Kollegen die schon länger im Orchester sind, einiges hier verändert haben. Da ich aber nur die Zeit unter ihm hier kenne, kann ich dies selbst natürlich nicht wirklich beurteilen.“

Ob sie von den vielen Gastdirigenten auch lernen würden, möchte ich weiters wissen. Das käme auf die Dirigenten an, auf deren Persönlichkeit und Kenntnis, darin sind sich beide einig und auch, dass einer ihrer Lieblingsdirigenten Gennadi Rozhdestvensky wäre. „Bei ihm genügte ein Blick und wir wußten, was gemeint war. Es sind keine großen Gesten oder ausladenden Bewegungen die einen guten Dirigenten ausmachen. Das mag fürs Publikum interessant anzusehen sein, aber für uns Musiker spielt das keine Rolle. Für uns ist es wichtig, dass die Dirigenten wirklich vom Fach sind. Es gibt heute viele Solisten die sich hinstellen und dirigieren, aber das Wissen derer, deren Hauptberuf das ist, haben sie natürlich nicht“ ist Somovs Meinung. „Man merkt sofort, wenn ein wahrer Maestro in den Raum kommt. Die Art seiner Körperhaltung, seine Aura bestimmten vom ersten Augenblick an das Zusammenarbeiten, wie auch bei Haitink und Collin Davis“, so Hirtz. So langsam wird klar, dass das bevorstehende Konzert ein ausgewogenes, harmonisches werden wird. In vielem, wie auch in dieser Frage sind sich beide einig oder ergänzen sich wunderbar.

Der Traum vom Solisten, den müsse wohl jeder während seines Studiums träumen, auch darin stimmen sie überein „Think big“ muss es erst einmal heißen, „die Realität holt die meisten von uns ohnehin ein“, fast schon eine kleine Weisheit, die Somov hier weiter gibt. Noch einmal auf Don Quichotte angesprochen meint er, dass das schöne seine noblen aber auch sehr naiven Ideale sind. Seine Reinheit, aber auch sein Schmerz und poignancy sind es, die ihn berühren. Und Hirtz schwärmt von den schönen Melodien, mit der seine Bratsche Sancho Pansa charakterisieren kann. „Aber auch wenn ich eines der schönsten Soli darin habe, welches für Bratsche je geschrieben wurde muss ich mein Spiel ganz Don Quichotte widmen und ihm dienen, sonst bin ich falsch am Platz“. Noch bevor sein Spiel das Publikum bezaubern wird, weiß Hirtz mit seiner wunderbar bescheidenen Art zu berühren.

Auch auf die Frage, ob sie gerne den Leserinnen und Lesern noch etwas mitteilen möchten, gibt es ebenfalls ergänzende Antworten: „Oh ja, gerne. Ich möchte den Menschen sagen, dass Musik etwas ist, das heilen kann. Etwas, das auf spiritueller Ebene wirkt und das wir heute mehr denn je brauchen. Heute ist alles am wirtschaftlichen Erfolg ausgerichtet, die spirituelle Ebene verkümmert dagegen schnell. Musik hingegen wirkt wie Medizin und noch dazu ohne jegliche Nebenwirkungen!“, so offeriert Alexander Somov spontan seine Arbeit. „Eigentlich kann man heute ja niemandem mehr etwas vorschreiben. Jeder macht, was er will. Ich kann nicht sagen: geht ins Konzert! und das von den Leuten auch erwarten. Aber ich sehe es als ein Angebot und als etwas, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Vielleicht ist der Zugang zu Musik aufgrund des reichhaltigen sonstigen Angebots heute erschwert, aber Musik ist für alle da und bietet jedem etwas“ fügt Harold Hirtz nach kurzer Überlegungsphase hinzu.

Somov und Hirtz – die beiden jungen Musiker machten sich gemeinsam auf den Weg des Don Quichotte und Sancho Pansa. Aber weitere spannende musikalische Abenteuer mit dem OPS sind auf alle Fälle bereits vorprogrammiert.

Das Interview führte Dr. Michaela Preiner am 2. Dezember in Straßburg.

Dieser Artikel ist auch verfügbar auf: Französisch

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