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Die Ankündigung sprach von einer musikalischen Komödie, getragen von belgischem Witz. Die Produktion Adams Apples von Dominique Pauwels, gezeigt im Le-Maillon in Straßburg, war jedoch alles andere als eine Komödie. Musikalisch ja. Aber wie sich herausstellte, waren die musikalischen Revueeinlagen à la MTV-Videoclips wohl mehr als Köder gedacht. Als Köder für ein Publikum, welches zum Schluss den bitteren Wurm der Ironie und der Desillusion zu schlucken hatte. Was wie eine Parodie auf die antipodischen Lebensentwürfe zwischen radikalen Neonazis und Heil verkündenden, sektenähnlichen Gruppen begann, entwickelte sich im Laufe des Abends hin zu einer absurden, zeitgeistigen Show, die ganz bewusst mit schrillen Tönen und Kostümen agierte. Die Geschichte von Ivan, dem religionsfanatischen Prediger und Adam, dem gefallenen Neonazi, der zur Läuterung per Gesetzesbeschluss dem Priester anvertraut wird, nimmt rasch ihre Fahrt ins Absurde auf. Desillusioniert und hasserfüllt der eine, verdrängend und mit einem Bekehrungswahn ausgestattet der andere, versuchen sie, sich gegenseitig ihre Weltanschauung überzustülpen. Adam steht abseits von Ivans Glücksgemeinde, die aber so offensichtlich tief in ihrem Kern von menschlicher Fäulnis nur so stinkt, dass das nur mit Halleluja und Lobet-den-Herren-Preisungen übertönt werden kann. Pauwels arbeitet bewusst mit den Mitteln der satirischen Übertreibung, manches Mal scheinen nur die eingespielten Lacher zu fehlen, die man von amerikanischen Fernsehserien her kennt. Als klar wird, dass sich Ivan rund um sein Leben ein Lügengebäude zusammengezimmert hat, das es ihm überhaupt erst ermöglicht, sein Dasein zu ertragen, färbt sich das Stück dunkelschwarz. Seine Frau beging Selbstmord, weil der gemeinsame Sohn schwer behindert ist, seine Jugend war durch ein Elternhaus gekennzeichnet, das nichts an schlechtem Vorbild zu wünschen übrig ließ und zu guter Letzt leidet er noch an einem Krebstumor, der als unheilbar diagnostiziert wurde. Die Anspielungen auf Hiob und die Neuinterpretation dieser angenommenen Leidensgeschichte unter dem medizinischen Begriff der Anosognosie präsentiert, macht deutlich, dass es auch heute in unserem Jahrhundert keine schlüssigen Erklärungen für das Leid gibt, das Menschen auf dieser Welt unverschuldet trifft. „Warum brauchst du noch den Teufel!“ schreit Adam Ivan ins Gesicht. „Dein Gott ist noch viel schlimmer!“, fasst er anschließend noch bühnenwirksam das Theodizeeproblem zusammen. Pauwels gräbt sich aber nicht nur durch aktuelle, unter den Nägeln brennende Fragen, wie jene nach der Entscheidung ob behinderte Kinder überhaupt geboren werden sollen oder nicht, oder jener nach der ausufernden Gewalt in unterprivilegierten sozialen Schichten. Ganz zum Schluss nimmt er auch noch Samuel Becketts „Warten auf Godot“ – Thema auf, indem er Adam, Ivan und dessen Sohn ebenfalls warten lässt – auf das „Ping“ des Mikrowellenherdes – auf das endlich der Apfelkuchen fertig wird, gebacken aus Adams bitteren Äpfeln. Ein Stück – das sich nicht scheut, Tiefgründiges ganz, ganz tief hinabzuziehen. Zum Erstaunen und Nachdenken wohl der einen und zum platten Gefallen und Schenkelklopfen der anderen.