Das schöne Ungeheuer

Das schöne Ungeheuer

Michaela Preiner

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17.

Juli 2018

Leviathan von James Wilton Dance Cie ein höchst gelungener Auftakt der Internationalen Bühnenwerkstatt ihres diesjährigen Sommerfestivals.

Das schöne Ungeheuer

Von Michaela Preiner

17.

Juli 2018

Die Internationale Bühnenwerkstatt eröffnete ihr diesjähriges Festival mit „Leviathan based on Moby Dick“ der James Wilton Dance Cie. Ein Tanzabend mit viel Testosteron und Gewalt, aber auch jeder Menge Poesie.

D er Brite James Wilton, mehrfach international wegen seiner Choreografien ausgezeichnet, ist dem Grazer Tanzpublikum schon seit Längerem bekannt. 2013 choreografierte er an der Oper Graz „Le sacre du printemps“. Nun kam er mit seiner Truppe zur Internationalen Bühnenwerkstatt und begeisterte mit einem Stück, das mehrere Interpretationsebenen zulässt.

Zum einen verweist die kurze Programmvorschau auf Kapitän Ahab und Moby Dick, den weißen Wal, den der Seemann aus Rache, weil er durch ihn ein Bein verlor, töten will. Zum anderen aber visualisiert Wilton eine weit universellere Geschichte. Diese erzählt eindringlich vom Menschen, der sich die Erde untertan macht und sie so lange mit Gewalt beherrscht, bis er ihr selbst zum Opfer fällt. Wer möchte, kann sich auch über die Dualität zwischen Mann und Frau Gedanken machen, denn auch diese blitzt in dieser Produktion immer wieder auf. Und sie wird auch durch die Choreografie mitgeliefert. Sarah Jane Taylor bewegt sich beinahe die ganze Zeit über mit ihrer Leviathan-Interpretation auf dem Boden, ohne dabei, bis auf wenige, kurze Momente, aufzustehen. Ganz im Gegensatz zu James Wilton, der ein völlig anderes Bewegungsvokabular verwendet. Dem Rutschen und Schlittern, dem Schieben und Drehen über die Schultern der schlanken, groß gewachsenen Frau wird man nicht müde zuzusehen, zumal auch ihre körperliche Ausstrahlungskraft extrem fasziniert. Unter ihrem hautfärbigen Oberteil zeichnet sich jeder einzelne Knochen ab und gibt bildhaft Auskunft über die extrem fordernde Choreografie.

James Wilton, der in diesem Stück auch die Hauptrolle tanzt, geriert sich als machtbesessener Berserker, der es durch Körperkraft und eisernen Willen schafft, sich über alle anderen Kreaturen zu stellen und diese zu beherrschen. Dabei gestaltet er auch jenes berühmte, allen bekannte Bild, in welchem die Menschwerdung vom Primaten durch den aufrechten Gang visualisiert wird, als Tableau vivant. „The march of progress“, so der Titel, stammt übrigens von Rudolf Zallinger, einem amerikanischen Maler mit österreichisch-polnischen Wurzeln.

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Wilton beherrscht im wahrsten Sinne des Wortes die Bühne von Beginn bis knapp vor Schluss der Aufführung. Michael Kelland, Norikazu Aoki, Ihsaan De Banya und Jacob Lang agieren als tierische Wesen genauso wie als von ihrem Führer eingeschworene Bande auf Leben und Tod. Die Choreografie, die sie dabei verwenden, weist eine ganze Fülle von unterschiedlichen Stilmitteln auf. Von Bodengymnastik über Hip-Hop-Bewegungen, von zeitgenössischem Ausdruckstanz bis hin zu Movements aus unterschiedlichen Kampfsportarten reicht die Palette. Kraftvoll und zupackend, zugleich aber auch in höchstem Maße die Kräfte von Zug, Gegenzug, Druck und Gegendruck nutzend, wirbeln die Männer durch den dunklen Raum, der ohne Bühnenbild auskommt. Sie springen und werden geschleudert, gehoben, gezogen und auf den Boden gedrückt, oder wirbeln um ihre eigene Achse und vollführen sogar mehrfache, horizontale Salti. Einzig schwere Taue und ein effektvolles Lightning beleben die Szenerie. Kurze, aber intensive Publikumsblendungen, nur Bruchteile von Sekunden lang, machen die Zusehenden für je einen Augenblick blind und markieren damit einen neuen Handlungsabschnitt.

Die eindrucksvolle Musik von „Lunetic Soul“ mit einer Mischung von Sing-a-song-writer Nummern, kräftigem Indie-Rock und einer kräftigen Prise Weltmusik umspülte das Geschehen wie eine zweite Haut. Die fließenden Bewegungen des Legendenwesens Leviathan passen auch zum blütenweißen Hosenanzug, in dem Sarah Jane Taylor tanzt. Die Verwandlung von Ahabs Matrosen in ebensolche schönen, rätselhaften Wasserungeheuer erzeugt einen reizvollen Bilderfluss, dem man nicht widerstehen kann. Das Ende des Mannes, der glaubte, nichts und niemand würde ihn besiegen, wird elegant mit einem Bild verknüpft, das auch ganz zu Beginn der Produktion stand. Nur dieses Mal ist es nicht der am Boden liegende, friedliche Leviathan, der eine riesige Fontäne Wasser aus seinem Mund spuckt, sondern der bezwungene Ahab.

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Leviathan (Fotos: Int. Bühnenwerkstatt Graz)

Das Publikum beim Premierenabend war zu Recht begeistert und forderte das sympathische Ensemble mehrfach auf die Bühne. Ein höchst gelungener Auftakt des diesjährigen Sommer-Programmes der Internationalen Bühnenwerkstatt.

Leviathan wird ein zweites Mal, am 18.7. gezeigt. Infos unter: https://www.buehnenwerkstatt.at/class/leviathan-based-on-moby-dick/?wcs_timestamp=1531774800

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Dieser Artikel ist auch verfügbar auf: Englisch

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