Einmal quer durch die Glaubensgalaxien

Von Michaela Preiner

Alev Irmak in „Ich glaube“ (Foto: Stefan Hauer)

12.

Oktober 2017

Das aktionstheater ensemble präsentierte in Wien seine neue Produktion „Ich glaube“.
Der Text vom Leiter und Regisseur Martin Gruber, gemeinsam mit seinem Ensemble erarbeitet, bietet einen Parforceritt entlang verschiedener Glaubensfragen unterschiedlichster Religionen. Zugleich macht er auch mehrere Fenster in ein Generalthema des Theaters und der Literatur auf: Die Liebe.

Mit von der Partie sind in dieser neuen Ausgabe Susanne Brandt, Alev Irmak, Martin Hemmer, Claudia Kottal und Benjamin Vanyek. Kirill Goncharov (Geige), Jean Philipp Viol (Bratsche), sowie Kristian Musser (Sound-Design und Arrangements) sorgen neben den stimmlichen Einlagen der Truppe für Live-Musik. Die Chorarrangements, die vom Ensemble beigesteuert werden, sind in höchstem Maße in Richtung Ohrwurm getrimmt. Diese profanen Choräle zäsieren die Szenen voneinander. Wie Kirchenlieder in den christlichen Gottesdiensten, verfehlen die Liebesschnulzen im Werk X, in dem gespielt wird, nicht ihre Wirkung.

Fröhliches Fettnäpfchen-Springen

Die Herangehensweise an den Abend ist bemerkenswert. Wird doch einerseits versucht, gängigen Vorurteilen und Stereotypen aus dem Weg zu gehen. Andererseits scheint es wenige Fettnäpfchen zu geben, die Martin Gruber mit seinem Team auslässt.

Da wäre der Blick auf die bigotte, polnische Großmutter von Claudia Kottal. Zwar folgt ihr die Familie zu Feiertagen brav in die Kirche, nimmt aber schon kurz nach Beginn der Messe Reißaus. Susanne Brandt – in Topform – steht im Dauerclinch mit ihrem jungen Kollegen Martin Hemmer (Das hab` ich doch gerade gesagt, Martin!) und versucht verzweifelt, die Emanzipation der Frauen von der Reformation her abzuleiten. Alev Irmak tritt gleich zu Beginn als aggressive Bühnenstürmerin auf. Ihre auf Türkisch vorgebrachte, scheinbare Publikumsbeschimpfung konnten die Zusehenden inhaltlich nur durch ihre Schreitiraden und ihre wilde Gestikulation erahnen. Groß war dann die Erleichterung, als sie aufklärte, dass sie dabei nur demonstriert hatte, wie sie einen GIS-Beamten von ihrer Wohnungstür vertrieb.

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„Ich glaube“ Alev Irmak, Benjamin Vanyek (Foto: Stefan Hauer)

Ein Blutbad, angerichtet von Alev, die dafür mit einer großen Wasserspritz-Pumpgun ausgestattet wurde, darf das Publikum ganz nach Belieben konnotieren. Die Assoziation zu den Amokläufen von IS-Anhängern in Europa liegt dabei auf der Hand. Martin Hemmer treibt die gedanklichen Volten durch seine doziert vorgetragenen, pseudo-wissenschaftlichen Beiträge zum Thema voran und glänzt auch, wie schon bekannt, mit seiner angenehmen Singstimme.

Eine große Prise Poesie

Benjamin Vanyek agiert als ein aus der Zeit gefallener Träumer, der es sich nicht nehmen lässt, das Leben von seiner schönen Seite her zu betrachten. In Engelsoutfit oder mit Federboas ausstaffiert, unterfüttert er das Geschehen mit grotesk-poetischen Momenten. Dabei versucht er, in einer Tonne zu verschwinden, präsentiert Kinderzauberkunststücke und tanzt, mit aufgespannten Regenschirmen ausgestattet, über die Bühne.
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„Ich glaube“ (Fotos: Stefan Hauer)

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„Ich glaube“ (Foto: Gerhard Breitwieser)

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„Ich glaube“ (Foto: Stefan Hauer)

„Ich glaube“ gibt – wie alle Inszenierungen des aktionstheater ensembles keine schlüssigen Antworten, ja nicht einmal präzis gestellte Fragen. Das Stück zeigt mit dem Holzhammer und subtil gleichzeitig – so skurril dies auch klingen mag – wie unbeholfen unsere Gesellschaft derzeit mit dem Glaubensphänomen umgeht. Egal, ob dies im Zusammenhang mit Religion oder mit der Liebe verstanden wird. „Das einzig wirklich verbindende Element in allen Diskussionen zu diesem Stück, die Conclusio nahezu jeden Interviews, war der „Glaube“ an die Liebe.“, schreibt Martin Gruber im Text des Programmzettels. Und selbst diese Aussage steht am Ende zur Disposition, wenn Alev in tiefstem Liebesschmerz Allah anruft.

Weitere Informationen auf der Homepage des WerkX oder des aktionstheater ensemble.

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