Crossing Europe, das unglaublich sympathische Filmfestival in Linz, findet heuer zum elften Mal statt. Es wurde 2004 von Wolfgang Steininger, dem Betreiber des Moviemento- und City-Kino in Linz, und Christine Dollhofer, der vormaligen Leiterin der Diagonale in Graz, ins Leben gerufen. Dies geschah unter anderem in Hinsicht auf die Bewerbung der Stadt Linz als Europäische Kulturhauptstadt. Die wichtigsten öffentlichen Fördergeber sind die Stadt Linz, das Land Oberösterreich und der Bund. Zu den langjährigen Sponsoren zählen die Hypo OÖ und die Linz AG. Seit 2006 wird das Festival ebenso durch das Media-Programm der EU unterstützt und in den Jahren 2007 bis 2009 wurde Crossing Europe als wichtige Teilveranstaltung von Linz09 aus dem Budget der Kulturhauptstadt mitfinanziert. Erfreulich ist, dass sich das Festival über die Marke 2009 hinaus etablieren konnte. Es ist zu einem wichtigen kulturellen Faktor in Linz, in Österreich und der gesamteuropäischen Filmfestivallandschaft geworden. Dazu hat beigetragen, dass dieses Festival seit Beginn eine gut durchdachte Programmstruktur hat, in der sich die einzelnen Schienen gut ergänzen. Ebenso wichtig war die von Anfang an forcierte kluge Vernetzung mit lokalen wie auch europäischen Kulturinitiativen und -institutionen. Wer sich näher für die detaillierte Geschichte des Festivals interessiert ist findet hier alle Informationen.
Dieses Jahr werden von 25. bis 30. April werden 184 Filme aus 37 unterschiedlichen Ländern gezeigt. Ergänzt wird die sehr dichte Zusammenstellung an Filmen von unterschiedlichen Rahmenveranstaltungen. Der Name des Festivals ist seit dem ersten Jahrgang Programm. Als Wagnis bezeichnet die Festivaldirektorin Christine Dollhofer das Konzept, ein Filmfestival inhaltlich ganz auf Europa auszurichten. Doch genau diese präzise Fokussierung auf unabhängiges, exzentrisches AutorInnen-Kino ist die ungemeine Stärke des Festivals. Zwischen den Filmen entsteht so eine Vielzahl von Verknüpfungspunkten und oft verschmelzen die diversen Filme zu einem großen kaleidoskopischen Bild, dessen Facetten sich im Laufe der Festivalwoche immer wieder verschieben und verändern. Ganz so, wie es mit unserer alltäglichen Sicht auf Europa geschieht. Crossing Europe versucht jedoch nicht nur einen introspektiven Blick auf Europa zu werfen. So betont Christine Dollhofer, dass es in einigen Filmen des Festivals auch um die Vorstellungen jener geht, die ‚draußen’ sind und Europa als uneinnehmbare Festung oder als idealisierten Sehnsuchtort sehen.
Eine solche Außensicht bietet der Film „L’escale/Stop over“ von Kaveh Bakhtiari aus der Programmschiene European Panorama Documentary. Dies ist auch einer der sechs Eröffnungsfilme mit dem das Festival startet. Bakhtiari, ein in der Schweiz lebende Regisseur mit iranischen Wurzeln, dokumentierte über die Laufzeit eines Jahres das Leben seines Cousins in Athen. Dieser ist dort ohne Aufenthaltsgenehmigung und ohne gültige Papiere gestrandet und sein Leben besteht großteils aus einer ungewissen Zukunft und Warten.
Auf andere Weise nähert sich die oberösterreichische Regisseurin Ella Raidel in „Double happiness“ der Sicht von Innen und Außen. Ihr Film dokumentiert den Nachbau des Ortes Hallstatt in China und untersucht die Motivation und Hintergründe für dieses Projekt. Mit der eigenen (Linzer) Kulturszene beschäftigt sich „Texta in & out“ von Dieter Strauch, der die Hip-Hop-Formation Texta über das vergangene Jahr begleitet und filmisch porträtiert hat. Beide Filme laufen neben der Eröffnung in der Local Artists Reihe. Diese bildet das vielfältige und lebhafte Filmschaffen in Oberösterreich ab und zeigt, dass eine regionale Verankerung notwendig ist, um den Blick umherschweifen zu lassen.
Die Nachtsicht wiederum widmet sich dem europäischen Genre-Kino, oder genauer gesagt dem fantastischen Kino. Am Freitag kann man sich bei Álex de la Iglesias „Las brujas de zugrramurdi/witchting and bitching“ ein erstes Bild davon machen. Mit „Under the skin“ von Jonathan Glazer und „Un chateau en intalie/Ein Schloss in Italien“ von Valeria Bruni Tedeschi ist das European Panorama Fiction am Eröffnungsabend vertreten. In dieser Programmschiene laufen herausragende Arbeiten des eigenwilligen europäischen AutorInnen-Kinos, die keinen Platz im Wettbewerb haben. Denn dieser hat die klare, wie spannende Einschränkung nur Erstlings- oder Zweitlingswerke zu zeigen. So lassen sich im Wettbewerb immer wieder neue RegisseurInnen entdecken, während das Panorama die Kontinuität und Entwicklung vieler dieser FilmemacherInnen weiterschreibt. Ebenso könnte man die Programmschiene Tribute beschreiben. Diese ist heuer der britischen Filmemacherin Joanna Hogg gewidmet, die bereits zum dritten Mal in Linz zu Gast ist. Im Zuge dessen werden die beiden Filme „Unrelated“ und „Archpelago“ (2008 bzw. 2011 im Wettbewerb) noch einmal in Linz zu sehen sein. Komplettiert wird das Programm von ihrem neuen Langspielfilm „Exihibition“, sowie 3 Kurzfilmprogrammen. In einem ist ihr Studienabschlussfilm „Caprice“ zu sehen, in der Hauptrolle die junge Tilda Swinton. Ein umfassender Blick auf das diesjährige Programm findet sich hier.
Crossing Europe wird 2014 ca. 650 Film-, Presse- und Branchengäste zu Besuch haben. Dennoch versteht sich das Festival genauso stark als Publikumsfestival und ist sich dieser Rolle sehr bewusst. Die kompakte Größe des Festivals schafft eine Durchlässigkeit, die jederzeit Berührungs- und Austauschmöglichkeiten zwischen Publikum und Gästen ermöglicht. Bei den unterschiedlichen Rahmenprogrammen, wie bei den täglichen Partys auf der Nightline kommt man sehr schnell ins Gespräch. Diese spezielle Stimmung wird es hoffentlich auch dieses Jahr wieder geben. Gerade als Publikumsfestival hat Crossing Europe eine große Relevanz, weil es Filme, die leider allzu oft keinen Verleih mehr finden, dort hinbringt, wo sie hingehören: in einen Kinosaal.